===== Medieninfo «Big Brother Awards 2002» (3d) vom 7. September 2002 ===== ** Der 11. September 2001 und die Folgen ** Datensammlung auf Vorrat: Wer kommuniziert, wird registriert ** Datenprofile von KundInnen und Angestellten ** Die dritte Ausgabe der Schweizer «Big Brother Awards» ** Über 80 Nominationen für Preise, die niemand will ** Preisverleihung am 29. Oktober im Casinotheater Winterthur ===== Medieninfo «Big Brother Awards 2002» (3d) vom 7. September 2002 ===== ** Zum Jahrestag des Angriffs auf die USA am 11. September 2001 Vor rund einem Jahr wurden die USA mit einem praezise geplanten Luftangriff radikal attackiert. Zwei Wochen nach dem Angriff teilte die Schweizer Bundesanwaltschaft mit, dass der mutmassliche Pilot des einen entfuehrten Flugzeugs am Morgen des 8. Juli in Zuerich-Kloten zwischengelandet sei und dabei zwei Taschenmesser und Schokolade gekauft habe. Den Betrag von Fr. 56.- habe Mohammed Atta per Kreditkarte bezahlt. Zudem habe er in vier Bezuegen von Geldautomaten insgesamt Fr. 1700.- Bargeld abgehoben. Im Nachhinein laesst sich dies offenbar rekonstruieren. Als konkreter Tatverdacht dienten die gesammelten Informationen zu Mohammed Atta jedoch nicht. Nichts deutete darauf hin, dass es sich bei ihm um einen entschlossenen Selbstmordattentaeter handelte. Im Nachgang zu dem spektakulaeren Angriff auf die militaerische Weltmacht USA forderten etliche PolitikerInnen und BeamtInnen einen Ausbau der praeventiven Überwachung. Im Schnellverfahren wurden in den USA die Geheimdienste ausgebaut und Regelungen des Datenschutzes gelockert. In mehreren deutschen Bundeslaendern wurde mit gross angelegten Rasterfahndungen nach Studenten islamischen Glaubens gesucht. In der Schweiz erliess der Bundesrat am 7. November 2001 per Notrecht eine «Verordnung betreffend die Ausdehnung der Auskunftspflichten und des Melderechts von Behoerden, Amtsstellen und Organisationen zur Gewaehrleistung der inneren und aeusseren Sicherheit» [a]. Er stuetzte sich dabei auf die Generalklauseln des 1997 erlassenen «Bundesgesetzes ueber Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit» [BWIS, b]. ** Datensammlung auf Vorrat: Wer kommuniziert, wird registriert Von Staatssicherheitsdiensten wird die «Bekaempfung des internationalen Terrorismus» als Argument vorgebracht, um bereits *praeventiv* in die Privatsphaere der BuergerInnen eindringen zu koennen. In der Schweiz muessen die Anbieter von Telekom-Dienstleistungen gemaess dem am 1. Januar 2002 in Kraft gesetzten «Bundesgesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeldeverkehrs» [c] fortan alle «Verkehrsdaten» der Telekommunikation vorsorglich aufzeichnen und waehrend sechs Monaten speichern (Art. 15 BÜPF). Festgehalten wird, «wann und mit welchen Personen oder Anschluessen die ueberwachte Person ueber den Post- oder Fernmeldeverkehr Verbindungen hat (Teilnehmeridentifikation)» sowie die «Verkehrs- und Rechnungsdaten» (Art. 5 BÜPF), bei Mobiltelefonen auch die geografischen Standortdaten (Art. 16 VÜPF). Die Verkehrsdaten der Telekommunikation betreffen saemtliche Telefon-, Fax-, E-Mail- und Internetverbindungen: *Wer kommuniziert, wird registriert*. Die Wahrscheinlichkeit, dass mit solchen Repressionen Terroranschlaege verhindert werden, ist verschwindend gering: Wer planmaessig Flugzeuge entfuehren und Militaerschiffe der USA versenken kann, weiss solche Massnahmen zu umgehen. Erfasst werden allenfalls ein paar Kleinkriminelle und unbedachte Hobby-Cracker, vor allem aber: wir selber! ** Datenprofile von KundInnen und Angestellten Neben dem Staat haben auch private Unternehmen ein Interesse an unseren Daten. Die wenigsten Leute sind sich bewusst, dass sie bereits heute in mehreren Dutzend Datenbanken gespeichert sind. Werden diese Register miteinander verknuepft, koennen aussagekraeftige Persoenlichkeitsprofile erstellt werden. Viele Unternehmen sind daran interessiert, unsere Konsumgewohnheiten zu kennen. Mit den in Kundenkarten gesammelten Daten wissen sie mittlerweilen besser ueber unsere Einkaeufe Bescheid als wir selber! Oft wird vergessen, dass die Videokameras in Verkaufslaeden sich nicht nur gegen Ladendiebe richten, sondern auf die Kontrolle aller Kundinnen und Kunden zielen -- sowie auf die Angestellten. Wie die online-Gewerkschaft //syndikat [3] gezeigt hat, ueberwachen immer mehr Firmen ihre Angestellten auch mit versteckten Mitteln: Sie ueberpruefen die Telekommunikation oder richten auf den Computern der Angestellten sogar sogenannte «Keylogger» ein, welche jeden eingetippten Buchstaben speichern -- so auch Passworte fuer private Mailkonten. ** Über 80 Nominationen für Preise, die niemand will Um auf solche Bespitzelung und auf die zunehmende Überwachung und Kontrolle aufmerksam zu machen, werden seit 1998 in einer international koordinierten Aktion sogenannte «Big Brother Awards» verliehen. In der Schweiz findet der Wettbewerb um die Preise, die keiner will, dieses Jahr bereits zum dritten Mal statt. Die Nominationen erfolgen durch das Publikum. Es koennen alle Personen und Institutionen vorgeschlagen werden, die das persoenliche Grundrecht auf den Schutz der Privatsphaere missachten oder die Überwachung und Kontrolle von Personen oder von Personengruppen foerdern. Bis Ende August wurden ueber 80 Vorschlaege eingereicht. Zur Auswahl standen die Kategorien Staat, Business und Telekommunikation sowie ein «Lebenswerk-Award» fuer besonders hartnaeckige Bespitzelung. Neben diesen Negativpreisen wird mit dem «Winkelried-Award» lobenswerter Widerstand *gegen* Überwachung und Kontrolle geehrt. Nach der Vorpruefung durch eine Fachgruppe wird eine Jury die definitive Auswahl vornehmen. Ihr gehoeren Personen an, die sich in verschiedenen Organisationen, Institutionen oder Medien zu den Themen Überwachung, Kontrolle und Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung engagieren. Wir werden Ihnen die Jury Anfang Oktober vorstellen. ** Preisverleihung am Dienstag, 29. Oktober, abends in Winterthur Nach zwei Anlaessen im Zuercher Kulturzentrum "Rote Fabrik" [8] findet die Preisverleihung diesmal als Gastspiel am Dienstag, den 29. Oktober 2002 im Casinotheater Winterthur [5] statt. Zu dieser «Zeremonie der unheimlichen Art» erwarten wir prominente Gaeste aus dem Comedy-Bereich. Unter den letztjaehrigen Gewinnern der Schweizer «Big Brother Awards» finden sich die Krankenkasse SWICA, die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten, sowie der militaerische Nachrichtendienst fuer den Aufbau und den Betrieb der Satelliten-Abhorchanlage SATOS-3/ONYX. Die Laudatio findet sich online unter ** International koordinierte Aktion Die ersten «Big Brother Awards» wurden 1998 in Grossbritannien von der Organisation «Privacy International» verliehen [9]. Inzwischen fanden weitere Preisverleihungen in den USA und in verschiedenen Laendern Europas statt [10], so u.a. in Grossbritannien, Oesterreich, Deutschland, Frankreich, Ungarn und in den Niederlanden. Weitere Veranstaltungen in Belgien, Spanien, Japan und Australien sind in Planung. Die Verleihung der Schweizer «Schnueffelpreise» wird organisert von der «Swiss Internet User Group SIUG» [1] und vom «Archiv Schnueffelstaat Schweiz» [2], mit Unterstuetzung der online-Gewerkschaft //syndikat [3] und des Vereins «trash.net» [4]. Medienpartner sind die «Wochenzeitung WoZ» [6] und «Le Courrier» [7]. Der Wettbewerb um die Schweizer «Big Brother Awards» 2000 und 2001 entstand in Zusammenarbeit mit dem Zuercher Kulturzentrum «Rote Fabrik» [8]. Weitere Informationen -- auch ueber die GewinnerInnen der Vorjahre -- sind unter [0] erhaeltlich. ===== Links: ===== [0] http://www.bigbrotherawards.ch [1] http://www.siug.ch [2] http://www.raben-net.ch/ficherman/ [3] http://www.syndikat.ch [4] http://www.trash.net [5] http://www.casinotheater.ch [6] http://www.woz.ch [7] http://www.lecourrier.ch [8] http://www.rotefabrik.ch [9] http://www.privacy.org/pi/bigbrother/ [10] http://www.bigbrotherawards.org ===== Kontakt: ===== mailto:info@bigbrotherawards.ch http://www.bigbrotherawards.ch Fuer telefonische Kontakte: Catherine Weber 031-312.40.30 Umberto Annino 079-680.20.13 ===== Fussnoten ===== [a] «Verordnung betreffend die Ausdehnung der Auskunftspflichten und des Melderechts von Behoerden, Amtsstellen und Organisationen zur Gewaehrleistung der inneren und aeusseren Sicherheit» vom 7. November 2001 (SR 120.1). http://www.admin.ch/ch/d/sr/c120_1.html [b] BWIS «Bundesgesetz ueber Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit» (SR 120). http://www.admin.ch/ch/d/sr/c120.html [c] BÜPF - «Bundesgesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeldeverkehrs» (SR 780.1) http://www.admin.ch/ch/d/sr/c780_1.html Die Umsetzung ist in der Verordnung VÜPF geregelt (SR 780.11). http://www.admin.ch/ch/d/sr/c780_11.html Ein Hinweis auf Details der Umsetzung des BÜPF findet sich im Cryptome-Archiv: http://cryptome.org/ch-ilets-regs.htm