===== Medieninfo «Big Brother Awards 2002» (5d) vom 22. Oktober 2002 ** Die 54 Kandidatinnen und Kandidaten auf einen Blick! ** Preisverleihung am 29. Oktober im Casinotheater Winterthur Am Dienstagabend, den 29. Oktober 2002 werden in der Schweiz bereits zum dritten Mal sogenannte «Big Brother Awards» verliehen. Mit diesen «Preisen, die niemand will» werden Personen oder Institutionen ausgezeichnet, die das persönliche Grundrecht auf den Schutz der Privatsphäre missachten oder die Überwachung und Kontrolle von Personen oder von Personengruppen fördern. Die Nominationen erfolgen durch das Publikum. Bis Ende August wurden über 80 Vorschläge eingereicht. Nach einer Vorprüfung durch das Organisationskomitee [0] wurden der Jury schliesslich 54 Kandidatinnen und Kandidaten zur Beurteilung vorgelegt. ** Die 54 Kandidatinnen und Kandidaten auf einen Blick! Bevor nachfolgend einige der Kandidatinnen und Kandidaten näher vorgestellt werden, sei an dieser Stelle explizit darauf hingewiesen, dass sich diese nicht zwingend eines strafrechtlichen Vergehens schuldig gemacht haben. In einigen Fällen beurteilten die zuständigen Datenschutzbeauftragten das Vorgehen zwar als Verstoss gegen die Gesetze oder bemängelten fehlende gesetzliche Grundlagen. Das Anliegen des Organisationskomitees besteht aber nicht darin, Vergehen gegen die Richtlinien des Datenschutzes in juristischer Hinsicht zu prüfen, sondern vor der zunehmenden Überwachung und Kontrolle der Bevölkerung zu warnen und auf den unsorgfältigen Umgang mit sensiblen Personendaten hinzuweisen. Wie bereits in den Vorjahren bewerben sich besonders viele Kandidatinnen und Kandidaten für einen Pokal in der Kategorie «Staat». Unter den 25 AnwärterInnen finden sich etliche Bundesämter, neben den «usual suspects» auch das Bundesamt für Sport (für die geplante Überwachung von Sportstadien) und das Bundesamt für Gesundheit (für den Vorschlag, sogenannte «Kiffer-Fichen» zu erstellen). Bei den Polizeien bewirbt sich die Zürcher Kantonspolizei gleich mit drei Anträgen: Der systematischen Entnahme von DNA-Proben ohne Rechtsgrundlage; der Registrierung von Fluggästen in Kloten mithilfe einer automatisierten Gesichtserkennung; und mit der Fahndungsdatenbank "Joufara II". Gleich zweimal vertreten ist Jörg Scherrer, Polizeidirektor der Stadt Bienne-Biel und Nationalrat der «Schweizer Demokraten», für seine Bemühungen um den Ausbau der Videoüberwachung und die Fichierung von Abfallsäcken. Die Gemeinden Eschenbach SG und Emmen LU kandidieren mit datenschutzwidrigen Bestimmungen im Einbürgerungsverfahren. Besonders zu erwähnen sind zudem die Parteien CVP und FDP, die im Anschluss an die Terrorismusängste nach dem 11. September 2001 versuchen, sich mit der Bespitzelung der Wählerschaft politisch zu profilieren. --> Eine vollständige Liste der «Staats»-Kandidaturen findet sich unter: http://www.bigbrotherawards.ch/2002/nomination/nominees/#staat 14 Nomination stammen aus dem Bereich «Business». In dieser Kategorie findet sich zunächst die Firma «SAG Aktienregister AG», die durch ihren unsorgfältigen Umgang mit heiklen Daten auffiel. Etliche Unternehmen observieren ihre Kundschaft mit Videokameras (so die Fluggesellschaft SWISS und der FC Basel, aber auch das katholische Pfarramt Wollerau), mit Rabattkarten (Migros) oder versuchten, mittels eines nach den Prinzipien des «viral marketing» aufgebauten Wettbewerbs an persönliche Daten zu gelangen (Firma Henkel). Als neue Tendenz ist bei den Nominationen im Business-Bereich eine spezielle Form der Verrechtlichung festzustellen: Einzelne Grossfirmen versuchen, die Bestimmungen des Datenrechts zu umgehen, indem sie in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) kleingedruckte Generalvollmachten zur Verarbeitung und Weitergabe von Kundendaten formulieren. Dies wurde bereits bei einigen letztjährigen Kandidaturen festgestellt, etwa bei der Firma DIEPOST oder beim e-banking der UBS. Neben der Swisscom (BBA-Preisträgerin im Jahr 2000) glänzt in dieser Hinsicht vor allem die Firma Microsoft, die sich gleich mit vier Nominationen um einen Preis bemüht. --> Eine vollständige Liste der «Business»-Kandidaturen findet sich unter: http://www.bigbrotherawards.ch/2002/nomination/nominees/#business Für einen Preis in der Kategorie «Kommunikation» beansprucht Swisscom gleich zwei der sechs Nominationen: für ein Sicherheitsleck in ihrer MyWAP-Anwendung und für unverlangte Werbung (SPAM) und Datenspeicherung anlässlich ihrer Ausstellung an der EXPO.02. Der Konkurrent Sunrise kandidiert mit Benutzerrichtlinien für Internetdienste, die Tür und Tor für Spitzeleien öffnen. Weitere Kandidaten fielen durch ihre Forderung nach einem weiteren Ausbau der Überwachung der Telekommunikation auf. So verlangt Adrien De Werra, Leiter des «Dienst für besondere Aufgaben» (DBA) im UVEK, bereits eine Verschärfung des erst am 1. Januar dieses Jahres eingeführten «Bundesgesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs» (BÜPF, SR 780.1). Verschiedene Berufsschulen bewerben sich im Kollektiv für einen «Kommunikations-Award»: Seit dem Sommer 2002 verlangen sie von ihren Schülerinnen und Schülern die Einwilligung, ihre Internetkommunikation präventiv überwachen zu dürfen - mitsamt den persönlichen Mailkonten! --> Eine vollständige Liste der «Kommunikations»-Kandidaturen findet sich unter: http://www.bigbrotherawards.ch/2002/nomination/nominees/#kommunikation Für einen «Lebenswerk-Award» für besonders hartnäckiges Schnüffeln stehen vier Kandidaten zur Wahl: Hans-Ulrich Helfer mit seiner Firma Presdok ist einigen vielleicht noch als Helfer von Ernst Cinceras Spitzelaktivitäten oder als Beamter des berüchtigten Zürcher Kriminalkommissariats "KK III" bekannt. Der Lausanner Kriminalistikprofessor Martin Killias fiel insbesondere mit seinem «5-Punkte-Programm» auf, in dem er KäuferInnen von Spraydosen registrieren lassen wollte, um auf diese Weise Graffitis zu verhindern. Erneut bewirbt sich die Chemiefirma Hoffmann-LaRoche, die für ihre systematischen Urintests bei Lehrlingen bereits im Jahr 2000 einen Big Brother Award in der Kategorie «Business» erhielt. Nach einer Intervention des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten ist dieser Fall zur Zeit bei der Datenschutzkommission hängig. Der vierte Kandidat für einen «Lebenswerk-Award» ist der ominöse «Club de Berne». Dieser 1971 in Bern gegründete informelle Verein versammelt Geheimdienste aus 19 Nationen, die ausserhalb jeglicher politischer Kontrolle Daten austauschen. --> Eine vollständige Liste der «Lebenswerk»-Kandidaturen findet sich unter: http://www.bigbrotherawards.ch/2002/nomination/nominees/#lebenswerk Neben diesen vier negativen Auszeichnungen wird jeweils auch ein positiver Preis verliehen. Der «Winkelried-Award» zeichnet eine Person aus, die sich in lobenswerter Weise *gegen* zunehmende Überwachung und Kontrolle zur Wehr setzte. Dass solches Engagement Mut braucht, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass drei der fünf KandidatInnen dieser Kategorie nur unter einem Pseudonym bekannt sind: Stefan S. wandte sich an die Presse, nachdem er von der Bundespolizei über seine Kontakte zur Antiglobalisierungsbewegung ausgefragt worden war; Germaine B. setzte sich gegen unhaltbare Diebstahl-Anschuldigungen ihrer Arbeitgeberin COOP zur Wehr, die sich auf unscharfe Bilder aus einer Videoüberwachung stützten; Bert Setzer lancierte mit der «4Q Karte» eine geklonte Rabattkarte, die sowohl für COOP wie für Migros gültig ist, die Punkte einem kollektiven Konto gutschreibt und die Anonymität der Nutzerinnen und Nutzer bewahrt. Bis zur Einführung der sogenannten Fristenlösung wurden alle Frauen, die (illegal) abtreiben liessen, kriminalisiert und fichiert. Beispielsweise bestand noch bis vor kurzem die Möglichkeit, zur strafrechtlichen Verfolgung einer Abtreibung durch Dritte eine Telefonüberwachung anzuordnen. Anne-Marie Rey, Präsidentin der Schweizerischen Vereinigung für Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs (SVSS), hat durch ihren jahrzehntelang Kampf für die Einführung der Fristenlösung wesentlich zu einer Stärkung der Persönlichkeitsrechte der Frauen beigetragen. Der Schriftsteller jürgmeier wurde insbesondere für sein neues Buch «Staatsfeinde oder SchwarzundWeiss» nominiert. Grundlage der «literarischen Reportage aus dem kalten Krieg» bilden Interviews mit sieben Personen, die fichiert wurden, sowie deren Staatsschutz-Fichen. Heute wird auch in der Schweiz wieder über die «Aufrüstung des Staatsschutzes» nachgedacht. Die Welt werde «eingeschworen auf Schwarz oder Weiss» -- «Als hätte es die Fichenaffäre nie gegeben». Diese Beispiele zeigen, dass Zivilcourage und Ausdauer nötig sind, um sich gegen zunehmende Überwachung, Kontrolle und Bespitzelung zu wehren. --> Eine vollständige Liste der «Winkelried»-Kandidaturen findet sich unter: http://www.bigbrotherawards.ch/2002/nomination/nominees/#winkelried ** Preisverleihung am Dienstag, 29. Oktober, abends in Winterthur Nach zwei Anlässen im Zürcher Kulturzentrum "Rote Fabrik" [8] findet die Preisverleihung diesmal als Gastspiel am Dienstag, den 29. Oktober 2002 im Casinotheater Winterthur [5] statt (Apéro 18.30 Uhr, Beginn 19.30 Uhr). Wie bereits in den Vorjahren wird auch die diesjährige «Zeremonie der unheimlichen Art» vom Schauspieler Ernst Jenni moderiert. Neben Mitgliedern der Jury erwarten wir als Gäste den Datenschutzbeauftragten der Stadt Zürich, Thomas Bärlocher, das «Chaos-Theaters Oropax» und weitere Prominenz aus dem Comedy-Bereich. Für Tickets wenden Sie sich bitte direkt an das Casinotheater Winterthur (Tel. 052-260.58.58). Unter den letztjährigen Gewinnern der Schweizer «Big Brother Awards» finden sich die Krankenkasse SWICA, die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten, sowie der militärische Nachrichtendienst für den Aufbau und den Betrieb der Satelliten-Abhorchanlage SATOS-3/ONYX. Die Laudatio findet sich online unter ** International koordinierte Aktion Die ersten «Big Brother Awards» wurden 1998 in Grossbritannien von der Organisation «Privacy International» verliehen [9]. Inzwischen fanden weitere Preisverleihungen in den USA und in verschiedenen Ländern Europas statt [10], so u.a. in Grossbritannien, Frankreich, Ungarn und in den Niederlanden. Weitere Veranstaltungen in Belgien, Spanien, Japan und Australien sind in Planung. In Deutschland (Bielefeld) findet die diesjährige Preisverleihung am kommenden 25. Oktober statt, in Oesterreich (Wien) am Samstag, den 26. Oktober. Die Verleihung der Schweizer «Schnüffelpreise» wird organisiert von der «Swiss Internet User Group SIUG» [1] und vom «Archiv Schnüffelstaat Schweiz» [2], mit Unterstützung des Vereins «trash.net» [3] und der online-Gewerkschaft //syndikat [4]. Medienpartner sind die «Wochenzeitung WoZ» [6] und «Le Courrier» [7]. Der Wettbewerb um die Schweizer «Big Brother Awards» 2000 und 2001 entstand in Zusammenarbeit mit dem Zürcher Kulturzentrum «Rote Fabrik» [8]. Weitere Informationen -- auch über die GewinnerInnen der Vorjahre -- sind unter [0] erhältlich. ===== Links: ===== [0] http://www.bigbrotherawards.ch [1] http://www.siug.ch [2] http://www.raben-net.ch/ficherman/ [3] http://www.trash.net [4] http://www.syndikat.ch [5] http://www.casinotheater.ch [6] http://www.woz.ch [7] http://www.lecourrier.ch [8] http://www.rotefabrik.ch [9] http://www.privacy.org/pi/bigbrother/ [10] http://www.bigbrotherawards.org ===== Kontakt: ===== mailto:info@bigbrotherawards.ch http://www.bigbrotherawards.ch Für telefonische Kontakte: Daniel Boos, Christoph Müller 01-382.04.47 Umberto Annino 079-680.20.13