===== Medieninfo «Big Brother Awards 2003» (5d) vom 28. Oktober 2003 ** Die 52 Kandidatinnen und Kandidaten auf einen Blick! ** Preisverleihung am 1. November in der Reitschule Bern (Diese und frühere Medieninfos stehen auch als PDF-File zur Verfügung: http://www.bigbrotherawards.ch/2003/presse/ ** Big Brother Awards -- «Preise, die keiner will...» Am Samstagabend, den 1. November 2003 werden in Bern die Gewinnerinnen und Gewinner der vierten Schweizer «Big Brother Awards» bekanntgegeben. Mit diesen «Preisen, die niemand will» werden Personen oder Institutionen ausgezeichnet, die das persönliche Grundrecht auf den Schutz der Privatsphäre missachten oder die Überwachung und Kontrolle von Personen oder von Personengruppen fördern. Bis Ende August 2003 wurden aus dem Publikum über 80 Kandidatinnen und Kandidaten für einen «Big Brother Award» vorgeschlagen. Nach einer Vorprüfung durch das Organisationskomitee [1] wurden der Jury schliesslich 52 Kandidatinnen und Kandidaten zur Beurteilung vorgelegt. Der Jury gehören 13 Personen an, die sich in verschiedenen Organisationen, Institutionen oder Medien zu den Themen Überwachung, Kontrolle und Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung engagieren (vgl. unsere Medienmitteilung vom 10. Oktober 2003 (Nr. 03-4d), oder die Liste unter: ). Die Gewinnerinnen und Gewinner werden anlässlich der satirischen Preisverleihung am nächsten Samstag, den 1. November 2003, bekanntgegeben. ** Die 52 Kandidatinnen und Kandidaten auf einen Blick! Bevor nachfolgend einige der Kandidatinnen und Kandidaten näher vorgestellt werden, sei an dieser Stelle explizit darauf hingewiesen, dass sich diese nicht zwingend eines strafrechtlichen Vergehens schuldig gemacht haben. Das Anliegen des Organisationskomitees besteht nicht darin, Vergehen gegen die Richtlinien des Datenschutzes in *juristischer* Hinsicht zu prüfen, sondern vor der zunehmenden Überwachung und Kontrolle der Bevölkerung zu warnen und auf den unsorgfältigen Umgang mit sensiblen Personendaten hinzuweisen. Beinahe jeder dritte Kandidat bewirbt sich um einen Pokal in der Kategorie «Staat». Unter den 16 Nominationen befinden sich neben dem VBS für seinen «Rekrutenfragebogen» wie bereits in den Vorjahren mehrere Polizeikorps. Die Genfer Polizei kandidiert mit der Denunzierung von Teilnehmern an der Demonstration gegen das Treffen der G8 vom vergangenen Juni, die StaPo Zürich mit einem erneuten Ausbau der Videoüberwachung. Der Gemeinderat von Mörschwil (SG) wurde für seinen Aufruf nominiert, Asylsuchende konsequent zu bespitzeln. Mit ähnlichen Forderungen bewerben sich auch mehrere Vertreter der SVP um einen Preis in der Kategorie «Staat». Besonders originell: Der Grossrat des Kantons BL kandidiert mit einem neuen Gesetz, wonach allen baselländischen Hunden künftig ein Mikrochip implantiert werden muss. --> Eine vollständige Liste der «Staats»-Kandidaturen findet sich unter: http://www.bigbrotherawards.ch/2003/nomination/nominees/#staat Mehr als die Hälfte aller Nominationen stammt aus dem Bereich «Business» (27). In dieser Kategorie finden sich neben den Kundenbindungsprogrammen der Firmen Migros und Manor mehrere Nominationen für unverhältnismässige Fragebögen zum Sammeln von Kundendaten (u.a. TCS, Crédit Suisse), dubiose Datensammlungen beim elektronischen «Ticketing» und drei Fälle von Videoüberwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln (SBB, ZVV, BLT). Mit der Vaudoise und der Winterthur wurden gleich zwei Versicherungen für die Bespitzelung ihrer Kundschaft nominiert. Die Firmen Helsana und UBS kandidieren mit der Weitergabe von Kundendaten an Drittfirmen, Orange und Migros mit geheimen Mitarbeiterfichen. Die Direktion des «Grand Hotel Bellevue» in Gstaad rühmt sich dafür, dass sie ihr Küchenpersonal permanent mit einer Web-Kamera überwacht. «Santésuisse», der Verband der Krankenversicherer, kandidiert mit «Tarmed»: Mit dem einheitlichen Tarifsystem wird künftig auf allen Arztrechnungen ein detaillierter Diagnose-Code aufgeführt. Damit erhalten Krankenkassen ab dem 1. Januar 2004 Einblick in besonders schützenswerte Patientendaten. Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte kritisert «Tarmed» bereits seit mehreren Jahren und warnt vor der Schaffung von «gläsernen Patienten». --> Eine vollständige Liste der «Business»-Kandidaturen findet sich unter: http://www.bigbrotherawards.ch/2003/nomination/nominees/#business Für einen Preis in der Kategorie «Kommunikation» bewerben sich vier Anwärter: Die Firma «Alcatel» vertreibt eine «Blackbox-Gesamtlösung» zur Überwachung der geamten Netzwerkkommunikation bei «Internet Service Providern» (ISPs). Die Firma «DDLX Informatics» bietet ein Gerät in der Grösse einer Zündholzschachtel an, mit welchem private oder geschäftliche Telefongespräche aufgezeichnet werden können. Die «IT-School» der Berufsschule Baden (BBB) kandidiert mit der Registrierung der sogenannten MAC-Adressen der privaten Computer ihrer Schülerinnen und Schüler. Damit kann die Schule jeden einzelnen im Netzwerk angemeldeten Computer und den entsprechenden Datenverkehr eindeutig identifizieren. Die BBB wurde bereits im Vorjahr für einen «Kommunikations-Award» nominiert: Damals forderte sie von ihren Schülerinnen und Schülern die Einwilligung, ihre Internetkommunikation präventiv überwachen zu dürfen - mitsamt den persönlichen Mailkonten! Der waadtländer Untersuchungsrichter Jean Treccani wurde nominiert für seine Anordnung einer Rasterfahndung von mobil Telefonierenden. Durch dieses «blinde» Verfahren gerieten hunderte oder gar tausende Personen unter einen Generalverdacht, nur weil sie zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Nähe eines bestimmten Ortes telefonierten oder einen Anruf bekamen. Laut Presseberichten will Treccani mit seiner Anordnung «einen Präzedenzfall schaffen». --> Eine vollständige Liste der «Kommunikations»-Kandidaturen findet sich unter: http://www.bigbrotherawards.ch/2003/nomination/nominees/#kommunikation Mit einem «Lebenswerk-Award» wird lebenslanges, besonders hartnäckiges Schnüffeln honoriert. In dieser Kategorie stehen dieses Jahr zwei Anwärter bereit: Hans-Ulrich Helfer gilt als «alter Kämpfer» im Bereich der Bespitzelung. Nach ersten Lehrjahren beim berüchtigten Kommissariat «KK III» der Zürcher Stadtpolizei und als «informeller Mitarbeiter» in Ernst Cinceras sagenumwobenen Schnüffelarchiv baute er ab 1983 mit der Firma «Presdok AG» einen eigenen einschlägigen «Dokumentationsdienst» auf. Heute ist Helfer als Herausgeber von Fachpublikationen und als Berater von Konzernen und Persönlichkeiten zu einem eigentlichen «Sicherheitsprofi» geworden. Der zweite Kandidat für den begehrten «Lebenswerk-Award» ist der Tessiner Ständerat Dick Marty (FDP), insbesonders für seine seit mehreren Jahren hartnäckig vorgetragene Forderung nach einer Registrierungspflicht für Prepaid-Handy-Karten. In der Wintersession 2002 wurden seine Bemühungen im Rahmen der Verhandlungen über das «Uno-Übereinkommen gegen Terrorismusfinanzierung und Bombenterrorismus» endlich von Erfolg gekrönt (Geschäft Nr. 02.052). --> Eine vollständige Liste der «Lebenswerk»-Kandidaturen findet sich unter: http://www.bigbrotherawards.ch/2003/nomination/nominees/#lebenswerk Im Gegensatz zu diesen vier Negativpreisen wird mit dem «Winkelried-Award» eine Person ausgezeichnet, die sich in lobenswerter Weise *gegen* zunehmende Überwachung und Kontrolle zur Wehr setzte. In dieser einzigen Positiv-Kategorie stehen dieses Jahr drei Kandidatinnen und Kandidaten zur Auswahl. Die Zürcher Medienkünstlerin Annina Rüst ist für einen Internet-basierten «Verschwörungsgenerator» nominert: «SuPerVillainizer» schafft virtuelle Bösewichte, die sich gegenseitig subversive E-Mails zuschicken und die Internet-Überwachungsbehörden verwirren sollen. Rebekka Salomé Zollinger wurde aufgrund eines Schleudertraumas in einer geheimen Datenbank der «Winterthur»-Versicherung registriert. Sie wehrte sich gegen die Fichierung, wandte sich an die Presse und zeigte auf, dass die Datensammlung auch falsche Angaben und tendenziöse Verdachtsmomente enthält. Daniel Constantino wurde nominiert für seinen Zivilcourage, den umfangreichen Fragebogen der diesjährigen Rekrutenbefragung des VBS (Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport) im Internet zu veröffentlichen. Aufgrund der Proteste sah sich das VBS in der Folge gezwungen, einige Fragen aus dem Fragebogen zu entfernen. --> Eine vollständige Liste der «Winkelried»-Kandidaturen findet sich unter: http://www.bigbrotherawards.ch/2003/nomination/nominees/#winkelried Da alle drei Nominationen für den «Winkelried-Award» von der Jury ähnlich stark unterstützt werden, wird die Schlussauswahl dieses Jahr an der Preisverleihung selber durch das Publikum vorgenommen werden. ** Preisverleihung am Samstag, 1. November in der Berner «Reitschule» Nach Anlässen im Zürcher Kulturzentrum «Rote Fabrik» [4] (2000, 2001) und im Casinotheater Winterthur (2002) findet die Preisverleihung dieses Jahr erstmals in der Bundeshauptstadt statt, am ... Samstag, 1. November 2003 im Dachstock der Reitschule Bern [7] («Schnüffelbar» ab 19 Uhr, Beginn 20 Uhr, Eintritt 15.-/10.-). Nach einer Eröffnungsrede durch den Datenschutzbeauftragten der Stadt Bern, Mario Flückiger, werden die drei Bestplatzierten aus allen fünf Kategorien in einer Laudatio vorgestellt und die «Award Winners» mit einem formschönen Betonpokal geehrt. Wie bereits in den Vorjahren wird auch die diesjährige satirische «Zeremonie der unheimlichen Art» vom Schauspieler Ernst Jenni moderiert. Für Unterhaltung sorgen Einlagen des Duos «Gans & Gloria». Neben Mitgliedern der Jury werden möglicherweise auch einige Gewinnerinnen und Gewinner persönlich anwesend sein. Im Anschluss an die Preisverleihung spielt im Dachstock «L'Enfance Rouge» (ex-«Gran Teatro Amaro»), ab 22 Uhr. ** Ehrenliste Unter den letztjährigen Gewinnern eines Schweizer «Big Brother Awards» finden sich die Kantonspolizei Zürich (Kat. Staat, für ihre Fahndungs- und Journal-Datenbank «Joufara II»), die Firma Q-SYS aus St. Gallen (Kat. Business, für ihr Computerprogramm RAI/RUG zur Registrierung von Altersheiminsassen), Herr Adrien de Werra, der damalige Chef im «Dienst für besondere Aufgaben» (DBA) beim UVEK (Kat. Kommunikation, für seine Forderung, das Überwachungsgesetz BüPF zu verschärfen). Der «Lebenswerk-Award» für besonders hartnäckiges Schnüffeln ging an den ominösen «Club de Berne». Der einzige Positivpreis schliesslich, der «Winkelried Award», wurde Bert Setzer (Pseudonym) verliehen, für die von ihm lancierte «4Q Card»: eine geklonte Rabattkarte, die sowohl für COOP wie für Migros gültig ist und unter Einhaltung der Anonymität benutzt werden kann. Eine Ehrenliste mit Links findet sich unter . Die letztjährige Laudatio findet sich online unter , jene des Jahres 2001 unter . ** International koordinierte Aktion Die ersten «Big Brother Awards» wurden 1998 in Grossbritannien von der Organisation «Privacy International» verliehen [10]. Inzwischen fanden über 30 weitere Preisverleihungen statt [11], so in den USA, in Grossbritannien, Oesterreich, Deutschland, Frankreich, Ungarn, in den Niederlanden, in Japan und in Australien. Weitere Veranstaltungen sind in Planung. In den vergangenen Tagen wurden die Pokale in Deutschland (24.10.), in Spanien (25.10.) und in Oesterreich (26.10.) verliehen. Für einen Überblick siehe Die Verleihung der Schweizer «Schnüffelpreise» wird organisert von der «Swiss Internet User Group SIUG» [2] und vom «Archiv Schnüffelstaat Schweiz» [3], mit Unterstützung des Kulturzentrums «Rote Fabrik», Zürich [4], des Vereins «trash.net» [5], des Dachstocks der Reitschule Bern [7], der Online-Gewerkschaft //syndikat [6] und der Gewerkschaft «comedia». Medienpartner sind «WOZ Die Wochenzeitung» [8] und «Le Courrier» [9]. Weitere Informationen -- auch über die Gewinnerinnen und Gewinner der Vorjahre -- sind unter [1] erhältlich. ===== Links: ===== [1] http://www.bigbrotherawards.ch [2] http://www.siug.ch [3] http://www.raben-net.ch/ficherman/ [4] http://www.rotefabrik.ch [5] http://www.trash.net [6] http://www.syndikat.ch [7] http://www.dachstock.ch [8] http://www.woz.ch [9] http://www.lecourrier.ch [10] http://www.privacy.org/pi/bigbrother/ [11] http://www.bigbrotherawards.org ===== Kontakt: ===== mailto:info@bigbrotherawards.ch http://www.bigbrotherawards.ch für telefonische Kontakte: Catherine Weber 031-312.40.30 Christoph Müller 01-382.04.47 (Beantworter)