993 : Bundesrat: Hooliganismus-Datenbank

Nominiert:
Kategorie: Staat

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Zusammenfassung

Der Vorschlag einer Hooliganismus-Datenbank war bereits enthalten in dem von der damaligen EJPD-Vorsteherin Ruth Metzler im Februar 2003 vorgestellten Vorentwurf zu einer Revision des Staatsschutzgesetzes (offiziell: Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit - BWIS).

Diese Datenbank, die beim Dienst für Analyse und Prävention (DAP) des Bundesamtes für Polizei geführt werden soll, ist nach Vorstellungen des Bundesrates bis zur Fussball-Europameisterschaft 2008 aufzubauen. In ihr würden zum einen Personen gespeichert, gegen die die - privaten resp. kommerziellen - Sportvereine ein Stadionverbot verhängt haben. Damit würde eine privatrechtliche Entscheidung staatlich sanktioniert. Der Text des Vorentwurf lässt erkennen, dass für die Erfassung als Hooligan keine einschlägige Verurteilung erforderlich ist, sondern in erster Linie eine Einschätzung der in einem idealen Doppelpassspiel zusammenwirkenden Vereine inkl. der von ihnen engagierten privaten Sicherheitsdienste und der Polizei, genauer gesagt der eidgenössischen Staatsschutzzentrale (DAP) und den Sicherheitsdiensten der Kantons- bzw. der Stadtpolizeien von ZH und BE.

Darüber hinaus soll der Begriff Hooliganismus im Aufgabenartikel (art. 2) des BWIS als "Gewalt bei Publikumsveranstaltungen" gefasst werden, was vermuten lässt, dass die Speicherung in der Datei keineswegs nur auf Fussball- oder Eishockeyfans beschränkt sein, sondern z.B. auch TeilnehmerInnen von Demonstrationen treffen wird.

Bei verschiedenster Gelegenheit haben der DAP und das Bundesamt für Sport (im VBS) erkennen lassen, dass sie darüber hinaus ein ähnliches System von Meldeauflagen für angebliche Gefährder anstreben, wie dies bereits in Deutschland Praxis ist. Dabei müssen sich die als Hooligans (oder erwartete Störer im Falle von Demos) inkriminierten an bestimmten Tagen - den Daten der Fussballspiele bzw. der Demos in der lokalen Polizeistation melden, was einem Quasi-Rayonverbot gleichkommt.

Im "Extremismusbericht", den der Bundesrat sich vom DAP hat schreiben lassen und am 25. August in die Welt gesetzt hat, wird zu diesem Bereich - BWIS- Revision I - auf Anfang 2005 eine Botschaft angekündigt. Im Herbst dieses Jahres wird der Bundesrat ferner entscheiden über eine Revision BWIS II. Er wird damit grünes Licht geben für die Erarbeitung eines zusätzlichen Vernehmlassungsentwurfs durch eine Arbeitsgruppe unter Vorsitz von DAP-Chef Urs von Däniken.

Dabei geht es in erster Linie um die Beschaffungskompetenzen des Staatsschutzes. Bei der Verabschiedung des BWIS im März 1997 konnte sich der Nationalrat und der damalige EJPD-Vorsteher Arnold Koller gegen eine rechtsbürgerliche Clique durchsetzen. Um den strengen Geruch des Schnüffelstaates zu verwedeln, verzichtete man damals auf die Befugnis der Staatsschützer zur präventiven Telefonkontrolle. Seit dem 11. September wird an diesem Thema wieder geschraubt, der modernisierte Staatsschutz soll auch die letzte Befugnis zurückerhalten, die er auch im alten (papiernen) Fichenstaat hatte. Im Extremismusbericht heisst es dazu: "Das Gesetz (das aktuelle BWIS) ist entscheidend von den Auswirkungen der parlamentarischen Untersuchungskommission EJPD, der Fichendiskussion sowie der Initiative 'Schweiz ohne Schnüffelpolizei' geprägt und beschränkt sich im Wesentlichen auf eine regelung der Datenbearbeitung. Die Informationsbeschaffung blieb unverbindlich, und auf Beschaffungsmassnahmen, welche die Privatsphäre tangieren, wurde weitgehend verzichtet." Das stimmt erstens nicht, denn der Staatsschutz darf schon heute in allen öffentlich zugänglichen Räumen incl. Geschäfts-, Arbeits- und Büroräumen (zur Öffnungszeit) schnüffeln, auch mit technischen Mitteln. Was er bisher tatsächlich (noch) nicht darf, ist Telefone überwachen und Wanzen in private Räume setzen, ohne dass es eine Strafuntersuchung gäbe. Nationalrat Didier Burkhalter (FDP,NE) und 24 Spiessgesellen aus FDP, Liberaler Partei und SVP haben dem Bundesrat dazu eine Gefälligkeitsmotion verfasst, die die Landesregierung am 25.August ohne jeden weiteren Kommentar zur Annahme durch das Parlament empfohlen hat. DAP-Chef von Däniken hat das ganze in einem Interview der Neuen Luzerner Zeitung v. 12. August 2004 sekundiert. Bereits im März hat der Sicherheitsausschuss des Bundesrates diese Pläne unterstützt (Blocher, Schmid, Calmy-Rey)(siehe z.B. Der Bund 24. März 2004)

Begründung

Der Text des Vorentwurf lässt erkennen, dass für die Erfassung als Hooligan keine einschlägige Verurteilung erforderlich ist, sondern in erster Linie eine Einschätzung der in einem idealen Doppelpassspiel zusammenwirkenden Vereine incl. der von ihnen engagierten privaten Sicherheitsdienste und der Polizei, genauer gesagt der eidgenössischen Staatsschutzzentrale (DAP) und den Sicherheitsdiensten der Kantons- bzw. der Stadtpolizeien von ZH und BE. Darüber hinaus soll der Begriff Hooliganismus im Aufgabenartikel (art. 2) des BWIS als "Gewalt bei Publikumsveranstaltungen" gefasst werden, was nicht nur auf Fussball- oder Eishockeyfans beschränkt sein wird, sondern z.B. auch TeilnehmerInnen von Demonstrationen treffen wird.

Zeitungsartikel

Anmerkungen

BBA-OK, 07.10.2004: In der Begründung wurde nachträglich ein Formulierungsfehler korrigiert.