© Tages-Anzeiger 10.04.2004, Seite 19 Bellevue Versteckte Kameras Früher fand man das ja noch lustig. Das Radio- und TV-Geschäft stellte eine Kamera ins Schaufenster, und wenn man daran vorbeilief, kam man im Fernsehen. Eine Art Fortsetzung des kindlichen Vergnügens bietet das Szene-Thairestaurant Lily's: Als Beilage zum Curry kriegt man die Direktübertragung eines Langstrassenabschnitts an die Wand projiziert. Und von all den Spielchen, die sich mit den neuen Handy-Kameras anstellen lassen, wollen wir erst gar nicht anfangen zu reden. Hier hört der Spass aber auch schon auf. Die Anzahl und Funktion all der Kameras im öffentlichen Raum sind mittlerweile kaum mehr zu durchschauen. Wer filmt hier wen, und zu welchem Zweck? Oder noch weiter gefragt: Wie viele Überwachungskameras hängen im Quartier Aussersihl? Die Gruppe «Big Brother Awards» macht es sich seit Jahren zur Aufgabe, quasi die Überwacher zu überwachen. Zu diesem Zweck wird nicht nur alljährlich ein beim Empfänger wenig beliebter Preis an besonders eifrige «Big Brothers» verliehen, sondern auch durch die Stadtkreise 4 und 5 flaniert, um interessierte Stadtgenossen auf die Vielfalt der dort aufgehängten Kameralinsen aufmerksam zu machen. Erstmals steht jetzt auch eine Karte mit Kamerastandorten zum Verkauf. Entscheidend ist dabei gemäss OK-Mitglied Christoph Müller nicht, ob die - oft von Privaten montierten - Geräte überhaupt eingeschaltet seien. Auch ob es sich nicht sowieso «nur» um Attrappen handle, sei streng genommen egal. Die Wirkung bleibe diesselbe. Vielmehr gehe es um Abschreckung beziehungsweise eine Erhöhung des Sicherheitsgefühls. Trotzdem kein angenehmer Gedanke, dass man neben all den Datenspuren, die man unter anderem per Kreditkarte hinterlässt, überdies auf der Strasse beobachtet wird. Wenn auch nur möglicherweise. (dj) 2. Aussersihler Osterkamerasuchen. Samstag, 10. April, 14-16 Uhr. Treffpunkt Helvetiaplatz.