===== Medieninfo "Big Brother Awards 2004" (6d) vom 30. November 2004 ** Laudatio der fuenften "Big Brother Awards" online ** Karte mit ueber 100 Kameras im Zuercher Hauptbahnhof ** Was bringt Kameraueberwachung in Regionalzuegen? ** Neues Dossier mit Informationen zu RFID ** Gegen Schengen-SIS und EURODAC! ** Ausschreibung der 6. Schweizer "Big Brother Awards" NICHT LAMENTIEREN - NOMINIEREN! Diese und fruehere Medieninfos stehen auch als PDF-File zur Verfuegung: http://www.bigbrotherawards.ch/2004/presse/ ===== Medieninfo "Big Brother Awards 2004" (6d) vom 30. November 2004 ** LAUDATIO der fuenften "Big Brother Awards" ONLINE Am 16. Oktober 2004 fand in der Steeltec-Halle in Emmenbruecke die feierliche Preisverleihung der fuenften Schweizer "Big Brother Awards" statt (im Rahmen von "pulp - plattform fuer digitale kultur"). Mit diesen satirischen "Preisen, die keiner will" zeichnet ein Organisationskomitee jedes Jahr die uebelsten Datenschutzverletzungen aus. Die Verleihung von "Big Brother Awards" ist eine internationale Aktion. In der Schweiz fand der Wettbewerb bereits zum fuenften Mal statt. Die Laudatio der feierlichen Zeremonie ist nun online verfuegbar: http://www.bigbrotherawards.ch/2004/event/ (Wer die Preisverleihung verpasst hat: Demnaechst koennen wir eine DVD-Dokumentation mit Aufnahmen der Fernsehstation "Tele G" (Guido Henseler) anbieten!) Zur Erinnerung: Die Sieger der vier Negativpreisen waren -- KKdt Hansruedi Fehrlin, Schweiz. Luftwaffe (Staats-Award) -- santésuisse, Solothurn (Business-Award) -- Stadtpolizei Zuerich (Arbeitsplatz-Award) -- Josef Leu (Nationalrat CVP/LU, Lebenswerk-Award) Die Sieger des "Winkelried Awards" fuer besonders lobenswerten Widerstand *gegen* Ueberwachung und Kontrolle waren der Anwalt Daniele Jenni und der Arzt Beat Schaub. (sh. unsere Medieninfo Nr. 5/2004 vom 16. Oktober 2004) http://www.bigbrotherawards.ch/2004/presse/ ========= ** Karte mit ueber 100 Kameras im Zuercher Hauptbahnhof veroeffentlicht An keinem anderen oeffentlich zugaenglichen Ort in Zuerich ist die Dichte der Ueberwachungskameras hoeher als am Hauptbahnhof: Ueber hundert Kameras beobachten KundInnen und Angestellte von Bahn und Shopping. Der Zuercher Hauptbahnhof wird taeglich von mehr als 300'000 Personen frequentiert. Die meisten Kameras sind untereinander zu einem eigentlichen CCTV-System vernetzt (Closed Circuit Television). Sie dienen der Verhaltenskontrolle, der Beweissicherung und der Einsatzplanung in Krisenfaellen. Alle notierten Kameras sind auf den oeffentlich zugaenglichen Raum gerichtet. Die meisten Kameras sind sogenannte "Kapo-Cams". Sie wurden in den 1990er-Jahren installiert und werden gemeinsam von SBB und Kantonspolizei betrieben. Rechtzeitig zur Spezialsendung "Alles unter Kontrolle" von SFDRS veroeffentlichen das Organisationkomitee der Schweizer "Big Brother Awards" und das Zuercher Kulturzentrum "Rote Fabrik" die allererste Kamerakarte des Zuercher Hauptbahnhofs. Neben Ueberwachungskameras listet die Karte weitere Sensoren auf, namentlich 17 Mobilfunkantennen: Seit 2002 sind alle Schweizer Telecom-Anbieter verpflichtet, so genannte Kommunikationsranddaten permanent aufzuzeichnen und waehrend sechs Monaten aufzubewahren. Zu diesen Daten gehoert bei Mobiltelefonen neben der genauen Uhrzeit auch der geografische Standort (Funkzelle). Bereits im April 2004 veroeffentlichten dieselben Autoren die erste Kamerakarte zum Zuercher Quartier Aussersihl (Kreis 4, Langstrassenquartier). In diesem Stadtteil wurden mehr als hundert Kamerastandorte kartiert. Beide Karten sind als farbige Internet-Version und als Schwarz-Weiss-Druckvorlage erhaeltlich unter: http://www.bigbrotherawards.ch/kameras/ Ausserdem: In der aktuellen Doppelausgabe Nr. 2-3 der Fachzeitschrift "Surveillance and Society" finden sich drei Artikel zu Ueberwachungskameras in der Schweiz, u.a. von Francisco Klauser zu Studien in Genf und in Olten. Ein weiterer Artikel nimmt den Zuercher Hauptbahnhof als Beispiel, um eine neue Typologie von Ueberwachungskameras zu entwickeln. Die Autoren dieses Artikels, Christoph Mueller und Daniel Boos, gehoeren zu den Mitbegruendern der Schweizer "Big Brother Awards". Surveillance and Society, Issue 2/3, Volume 2, autumn 2004: "The Politics of CCTV in Europe and Beyond" http://www.surveillance-and-society.org/cctv.htm ========= ** Was bringt Kameraueberwachung in Regionalzuegen? Vergangene Woche kuendigten die SBB an, dass sie ihren Versuch mit Ueberwachungskameras in Regionalzuegen auf das Gebiet des Zuercher Verkehrsverbunds ZVV ausdehnen. Seit dem vergangenen Montag ist eine erste doppelstoeckige S-Bahn-Komposition mit Videokameras ausgeruestet. Als Gruende fuer die Installation nennen die SBB v.a. die Bekaempfung von Vandalismus und die Erhoehung des subjektiven Sicherheitsgefuehls der Passagiere. Das Organisationskomitee der "Big Brother Awards" steht diesen Versuchen sehr kritisch gegenueber. Wir bezweifeln, dass solche Kameras dazu beitragen koennen, den beabsichtigten Zweck zu erfuellen. Die SBB behaupten zwar wiederholt, dass bei einem Pilotversuch in der Westschweiz "der Vandalismus um 80% zurueckgegangen" sei. Bisher konnten sie aber auch nach mehrmaligen Nachfragen keine plausible Auskunft darueber liefern, wie diese Zahlen methodisch genau eruiert wurden. Nicht nur fehlen jegliche Belege fuer die Effizienz der Installationen, sondern es sind auch unerwuenschte Nebeneffekte zu befuerchten. So fuehren die Ueberwachungskameras moeglicherweise zu einer Verlagerung von Vergehen. Weiter koennen solche Installationen den falschen Eindruck erwecken oder verstaerken, Bahnfahren sei gefaehrlich. Zudem kosten die Anlagen sehr viel Geld! Wenn Ueberwachungskameras in oeffentlichen Verkehrsmitteln eingesetzt werden, dann darf dies nur im Rahmen von klaren Leitplanken und mit einer konsequenten Ausrichtung auf eine "best practice" erfolgen. Beispielsweise muss ein konkreter Beduerfnisnachweis vorliegen, die Daten duerfen nur aufgrund konkreter Ereignisse von Strafverfolgungsbehoerden eingesehen werden, die Pilotversuche muessen regelmaessig auf ihre Effizienz hin ueberprueft werden und es sind Begleituntersuchungen ueber die gesellschaftlichen Auswirkungen erforderlich. Ein Beispiel fuer eine klare Wegleitung fuer Videoueberwachung in oeffentlichen Verkehrsmitteln wurde im Dezember 2003 vom ZVV unter Mitarbeit des Datenschutzbeuftragten des Kantons Zuerich erarbeitet. ("Richtlinien fuer Pilotversuche Videoueberwachung im ZVV, gueltig ab 15.12.2003", info@zvv.ch) Wir fordern ZVV und SBB auf, sich an diese Richtlinien zu halten! ========= ** Neues Dossier mit Informationen zu RFID RFIDs (Radio Frequency Identity-Tags) sind kleine Chips, die Daten speichern, welche sich auf eine Distanz von bis zu mehreren Metern unbemerkt per Funk auslesen lassen: Eine Antenne sendet einen Impuls und die Chips senden eine eindeutige Nummer zurueck. RFIDs lassen sich in Kleider verstecken oder als beruehrungslose Zugtickets verwenden und sollen dereinst den herkoemmlichen Strichcode auf Produkten ersetzen. So haette dann beispielsweise jeder Joghurtbecher eine weltweit eindeutige Nummer. Werden RFIDs in Gegenstaende eingebaut (Z.B. in eine Jacke oder in einen Schuh), so lassen sie sich nicht mehr entfernen, ohne den Gegenstand dabei zu zerstoeren. In Deutschland fuehrt die Kaufhausgruppe Metro in ihrem «Future Store» in Rheinberg den weltweit ersten grossen Feldversuch mit RFIDs durch. Dafuer erhielt der Supermarkt im letzten Herbst einen deutschen «Big Brother Award». Ein Dossier der Schweizer "Big Brother Awards" vermittelt Informationen zu RFIDs: http://www.bigbrotherawards.ch/diverses/rfid ========= ** Gegen Schengen-SIS und EURODAC! Am 9. November 2004 hat der Bundesrat den Bundesbeschluss ueber die Bilateralen Abkommen II veroeffentlicht, in der aktuellen Wintersession wird der Vorschlag in National- und Staenderat behandelt (sh. Bundesblatt Nr. 44 vom 9. November 2004). Das Organisationskomitee der "Big Brother Awards" lehnt das Abkommen "ueber die Assoziierung an Schengen und Dublin" klar ab, weil es eine unverhaeltnismaessige Ausweitung der polizeilichen und geheimdienstlichen Kompetenzen bedeutet und zu riesigen Datensammlungen fuehrt, namentlich mit der europaweiten Fingerabdruck-Datenbank EURODAC. Zudem ist die demokratische Kontrolle von Schengen sowohl auf europaeischer als auch auf nationaler Ebene voellig ungenuegend. Die Verlagerung der Grenzkontrolle in ein "grenznahes Gebiet" von 30km bedeutet fuer die Schweiz faktisch die Einfuehrung einer Ausweispflicht. Sogenannte "anlassunabhaengige" Personenkontrollen sind aber weder in den Schweizer Polizeigesetzen und Strafprozessordnungen vorgesehen, noch in der Verfassung. Obwohl sich in der Botschaft -- wie der Zuger Datenschutzbeauftragte feststellte -- nicht weniger als 233 Fundstellen fuer den Begriff "Datenschutz" finden, wird genau dieser Begriff an etlichen Stellen ausgehoehlt. So sollen persoenliche Daten kuenftig ohne jegliche Kontrolle ueber Grenzen hinweg an verschiedenste Amtsstellen weitergegeben werden duerfen (zBsp. Art.22h des ANAG, analog dazu Art.102b des AsylG). Unter der Generalklausel "Wahrung ueberwiegender oeffentlicher Interessen" duerfen persoenliche Daten sogar an Staaten ausgehaendigt werden, die keinen der Schweiz vergleichbaren Datenschutz garantieren! Wenn es darum geht, schwere Verbrechen zu verfolgen, so koennen Daten auch heute schon im Rahmen der internationalen Rechtshilfe ausgetauscht werden. Das Schengener Informationssystem SIS und die Datenbank EURODAC sind offensichtlich nicht gegen Verbrecher gerichtet, sondern vorab gegen Asylsuchende. Mit dem fuer 2007 geplanten Ausbau zum Projekt SIS-II sollen die Moeglichkeiten zum Sammeln, Speichern und Verarbeiten persoenlicher Daten massiv ausgeweitet werden. Zudem planen die Innen- und Justizminister der EU-Staaten die Einfuehrung von biometrischen Angaben in Personalausweisen. Das Organisationkomitee der Schweizer «Big Brother Awards» spricht sich deshalb deutlich gegen den Beitritt zum Schengener Informationssystem SIS und zur Datenbank EURODAC aus. Es gilt, das Recht auf Privatsphaere zu wahren! Eine Stellungnahme gegen Schengen-SIS und EURODAC findet sich hier: http://www.bigbrotherawards.ch/diverses/ Aktuell: An einem Treffen hinter verschlossenen Tueren haben sich die Justiz- und Innenminister der EU am 23. Oktober 2004 in aller Eile darauf geeinigt, die Ausweispapiere aller 450 Mio. EU-Buergerinnen und Buerger kuenftig obligatorisch mit biometrischen Daten zu versehen. In einem offenen Brief vom 30. November 2004 warnen die Organisationen Privacy International, Statewatch und EDRI die Mitglieder des EU-Parlaments vor diesen Plaenen und vor den Gefahren einer EU-weiten Datenbank mit digitalen Fingerabdruecken und Iris-Mustern. Der offene Brief wird vom Organisationskomitee der Schweizer «Big Brother Awards» unterstuetzt. Siehe http://www.privacyinternational.org/issues/terrorism/ep_letter_biometrics.html ========= ** Ausschreibung der 6. Schweizer "Big Brother Awards" Mit satirischen "Big Brother Awards" werden jedes Jahr die uebelsten Datenschutzverletzungen ausgezeichnet. Die Nomination der Kandidatinnen und Kandidaten erfolgt durch das Publikum, die Auswahl durch eine kompetente Jury. Drei Betonpokale stehen fuer die groessten Schnueffelratten in den Kategorien "Staat", "Business" und "Arbeitsplatz" bereit. Weiter wird ein "Lebenswerk-Award" fuer besonders hartnaeckige, lebenslange Spitzelarbeit verliehen. Neben diesen vier negativen Preisen zeichnet ein "Winkelried Award" besonders lobenswerten Widerstand *gegen* Ueberwachung und Kontrolle aus. Vorschlaege fuer Kandidaturen koennen entweder auf der Webseite direkt in ein Formular eingetragen (http://www.bigbrotherawards.ch/2005/), oder per Briefpost eingereicht werden an "SIUG, Postfach 1908, 8021 Zuerich". Per E-Mail sind die begruendeten Vorschlaege an zu richten. Einsendefrist ist der 31. August 2005. NICHT LAMENTIEREN, NOMINIEREN! ========= ** Ehrenliste Zu den bisherigen Gewinnern eines "Big Brother Awards" gehoeren die Firmen Swisscom, Roche, SWICA, Orange und Q-Sys, der Bundesrat Samuel Schmid, die Kantonspolizei Zuerich, die Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten, sowie der ominoese "Club de Berne". Eine Liste findet sich in unserer "Hall of Shame": http://www.bigbrotherawards.ch/diverses/hallofshame ** International koordinierte Aktion "Big Brother Awards" sind eine international vernetzte Aktion: Die erste Preisverleihung wurde 1998 in Grossbritannien von "Privacy International" organisiert. Inzwischen fanden ueber 40 weitere Ehrungen in 16 Laendern statt, so in den USA, in Oesterreich, Deutschland, Frankreich, Ungarn, in den Niederlanden, in Japan, Finnland, Daenemark, Spanien, Australien und Neuseeland. Weitere Veranstaltungen sind in Planung (siehe http://www.bigbrotherawards.org). ========= ** Organisation Die Verleihung der Schweizer Big Brother Awards 2004 wurde organisiert von der "Swiss Internet User Group SIUG", vom "Archiv Schnueffelstaat Schweiz" und von "//syndikat - Die Online-Gewerkschaft", mit Unterstuetzung des Zuercher Kulturzentrums Rote Fabrik, des Vereins "trash.net" und den Gewerkschaften comedia und GBI. Medienpartner sind "WOZ Die Wochenzeitung" und "Le Courrier". ** Kontakt: mailto:info@bigbrotherawards.ch http://www.bigbrotherawards.ch 031-312.40.30 (Catherine Weber) 079-655.46.84 (Thomas Bader) 076-520.16.29 (Antonios Kipouros, //syndikat, fuer Fragen zum «Arbeitsplatz-Award»)