===== Medieninfo «Big Brother Awards 2005» (Nr. 6d) vom 29. Oktober 2005 ** Sechste Schweizer «Big Brother Awards» -- DIE SIEGER: -- Gemeinde Emmen: Sozialinspektor Christoph Odermatt (Staats-Award) -- Postfinance, Jürg Bucher (Business-Award) -- Bundesanwalt Valentin Roschacher (Arbeitsplatz-Award) -- Jürg Scherrer, Polizeidirektor FPS, Biel (Lebenswerk-Award) -- Gruppe «augenauf» und «IG Stadt ohne Willkür» (Winkelried-Award) Diese und frühere Medieninfos stehen auch als PDF-File zur Verfügung: http://www.bigbrotherawards.ch/2005/presse/ ===== Medieninfo «Big Brother Awards 2005» (Nr. 6d) vom 29. Oktober 2005 ** PREISVERLEIHUNG der «Preise, die keiner will...» Am Samstagabend, den 29. Oktober 2005 wurden im Zürcher Kulturzentrum Rote Fabrik die Gewinner der diesjährigen Schweizer "Big Brother Awards" bekanntgegeben. Mit diesen satirischen "Preisen, die keiner will" zeichnet ein Organisationskomitee jedes Jahr die schlimmsten Datenschutzverletzungen aus. BBAs sind eine internationale Aktion. In der Schweiz fand der Wettbewerb bereits zum sechsten Mal statt. Drei Betonpokale gingen an die grössten Datenschnüffler in den Kategorien «Staat», «Business» und «Arbeitsplatz». Weiter wurde ein «Lebenswerk-Award» für besonders hartnäckige, lebenslange Spitzelarbeit verliehen. Neben diesen vier negativen Preisen zeichnet ein «Winkelried Award» besonders lobenswerten Widerstand *gegen* Überwachung und Kontrolle aus. Die Nomination der Preisträger erfolgte durch die Öffentlichkeit. Bis Ende August gingen beim Organisationskomitee über 100 Vorschläge ein. Eine Auswahl der Kandidaturen wurde einer unabhängigen Jury vorgelegt. Ihr gehören zehn Personen an, die sich in verschiedenen Organisationen, Institutionen oder Medien gegen Überwachung und Kontrolle engagieren (siehe ). --> Eine vollständige Liste der 58 Kandidaturen mit einer Begründung und weiterführenden Quellenangaben findet sich hier: http://www.bigbrotherawards.ch/2005/nomination/nominees/ Nach Veranstaltungen im Casinotheater Winterthur (2002), in der Berner Reitschule (2003) und in der SteelTec-Halle in Emmen (2004) fand die Preisverleihung wiederum im Zürcher Kulturzentrum Rote Fabrik statt (wie bereits 2000 und 2001). Der feierlich inszenierte Anlass begann um 20.30 mit einer Zusammenstellung von spektakulären Live-Bildern aus Überwachungs-Webcams. Die exklusiven Videobeiträge beruhen auf Recherchen der privaten Fernsehstation «Tele-G» (Guido Henseler). Anschliessend verlas der Schauspieler Ernst Jenni eine bisweilen zynische Laudatio auf die Sieger (die Laudatio findet sich demnächst online, hier: http://www.bigbrotherawards.ch/2005/event/laudatio.shtml). Stefanie Grob, Guy Krneta, Gerhard Meister und Beat Sterchi von der Spoken-Word-Gruppe «Bern ist überall» kommentierten die Leistungen der Sieger jeweils mit einem Text, den sie speziell für diesen Anlass erarbeiteten. Adi Blum begleitete die Autoren am Akkordeon. Als Spezialgäste präsentierte das Wiener Sprech-künstler-Duo «Onophon» zwei «Anlassdichtungen» zum Thema. Die Sieger erhielten einen formschönen Betonpokal und ein Zertifikat. (Ein Link zu Fotos der Betonpokale findet sich unten.) Am Rande der Preisverleihung erklärten die Organisatoren die Ausschreibung für die «Big Brother Awards 2006» für eröffnet (Formulare sind auch online erhältlich). ** DIE SIEGERINNEN UND SIEGER Informationen zu den einzelnen Nominationen, mit Begründung und weiterführenden Quellenangaben sind hier zu finden (Suche nach Nominationsnummer): http://www.bigbrotherawards.ch/2005/nomination/nominees/ Mehr als die Hälfte der Kandidaten (30) bewarben sich um einen «Staats-Award». In dieser Kategorie ging der Hauptpreis an die GEMEINDE EMMEN (Nomination Nr. 3658). Sie stellte per 1. Februar 2005 den 31-jährigen ehemaligen Polizeibeamten Christoph Odermatt als «Sozialinspektor» ein, um ihre Sozialhilfebezüger zu überwachen. Der Pokal in der Kategorie Staat war auch dieses Jahr hart umkämpft: Auf den weiteren Rängen klassierten sich die Bundespolizeistelle «Dienst für Analyse und Prävention» (DAP) für das Anwerben von jungen Spitzeln (Nr. 4960) und das Stadtparlament St.Gallen für die Einführung eines neuen «Wegweisungsartikels» (Nr. 3741). Das Militärdepartement VBS bewarb sich dieses Jahr mit seinen beiden Kandidaturen ebenso erfolglos wie der Bundesrat, von dem gleich fünf Nominationen vorlagen. 15 Firmen stellten sich dem Wettbewerb um einen «Business-Award». Siegerin in dieser Kategorie wurde POSTFINANCE mit der illegalen Weitergabe von Transaktionsdaten an die US-Finanzbehörden (Nr. 3740). Eine lobende Erwähnung ging an das neue Berner «Stade de Suisse» für die systematische Datensammlung von Matchbesuchern (Nr. 4938). Der Zürcher Verkehrsverbund ZVV und das Transportunternehmen BDWM gingen leer aus, ebenso die Unternehmen Allianz Suisse, TA Media, Swisscom Directories, Swisscom Mobile, Sunrise, RBC/Schober, Swissport, Citydisc und Kindercity. In der Kategorie «Arbeitsplatz» heisst der Sieger VALENTIN ROSCHACHER (Nr. 3881). Der Bundesanwalt durchsuchte im vergangenen Winter in einer geheimen Nacht-und-Nebel-Aktion die Papierkörbe seiner rund 100 Angestellten an der Berner Taubenstrasse 16. Auf den weiteren Rängen befinden sich der Billigladen Carrefour mit einer nicht-anonymen Mitarbeiterbefragung, sowie Postauto und McDonald's mit dem Einsatz von sogenannten «Mystery-Shoppers». Die Luzerner Kantonsschule Alpenquai und die Schaffhauser Brasserie Falken, die ihre Kundschaft und ihre Angestellten mit Videokameras überwachen, schafften es knapp nicht in die Kränze. Der begehrte «Lebenswerk-Award» für besonders hartnäckige Beschnüffelung ging dieses Jahr an den Bieler Polizeidirektor JÜRG SCHERRER (Nr. 4753). Als Vertreter der nach wie vor am Rande bestehenden Freiheitspartei der Schweiz FPS setzt er sich seit vielen Jahren für die Kameraüberwachung des öffentlichen Raumes ein. Bislang allerdings ohne Erfolg. Die Organisatoren entschieden deshalb, dem 58-jährigen Scherrer als Trostpreis den Lebenswerk-Award zuzusprechen. Im Gegensatz zu diesen vier Negativpreisen wird mit dem «Winkelried-Award» eine Person oder Institution ausgezeichnet, die sich in lobenswerter Weise *gegen* zunehmende Überwachung und Kontrolle zur Wehr setzte. Dieses Jahr standen zwei Kandidaten zur Auswahl: Die Menschenrechtsgruppe AUGENAUF (Nr. 3880) wurde für ihre bemerkenswerte und sehr erfolgreiche Aktion mit Patenschaften für die Registrierung von Prepaid-Handies nominiert. Da Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene ihre Mobiltelefone mangels Dokumenten nicht unter ihren eigenen Namen registrieren können, organisierte «augenauf» im vergangenen Herbst in Bern, Basel und Zürich Schweizer Patinnen und Paten, die dafür ihre Namen zur Verfügung stellten. «augenauf» hielt sich dabei exakt an die Vorgaben des BAKOM, die genau dieses Vorgehen empfahl, und ermöglichte damit rund 3000 Betroffenen die Wahrung des Grundrechts auf Kommunikation. Die St. Galler Interessengemeinschaft IG STADT OHNE WILLKÜR (Nr. 4166): Sie engagierte sich im vergangenen Frühling mit einer bunten Reihe an kreativen und witzigen Aktionen gegen die Einführung eines neuen Polizeireglements der Stadt St. Gallen (leider ohne Erfolg an der Urne). Das Reglement sah unter anderem vor, dass Bilder aus Videokameras 100 Tage lang aufbewahrt werden dürfen (die Datenschutzbeauftragten empfehlen als Regel 24 Stunden) und dass Menschen alleine aufgrund des Verdachts, dass sie die öffentliche Ruhe stören *könnten*, von der Polizei aus einem bestimmten Stadtgebiet weggewiesen werden dürfen (sh. oben, Nr. 3741) - eine Regelung, die gegen die Grundrechte auf Bewegungsfreiheit und auf Versammlungsfreiheit verstösst. Anlässlich der Preisverleihung wurde die Gruppe "augenauf" in einer Publikumswahl zum «Haupt-Winkelried des Jahres 2005» erkoren. Als Vertreter der Gruppe nahm Walter Angst aus Zürich den Preis entgegen. ** Ehrenliste Zu den bisherigen Gewinnern eines «Big Brother Awards» gehören die Firmen Swisscom, Roche, SWICA, Orange und Q-Sys, der Verband der Krankenversicherer santésuisse, der Bundesrat Samuel Schmid, die Luftwaffe, die Kantonspolizei Zürich, die Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten, sowie der ominöse «Club de Berne». Eine Liste findet sich in unserer «Hall of Shame»: ** International koordinierte Aktion «Big Brother Awards» sind eine international vernetzte Aktion: Die erste Preisverleihung wurde 1998 in Grossbritannien von «Privacy International» organisiert. Inzwischen fanden über 40 weitere Ehrungen in 16 Ländern statt, so in den USA, in Oesterreich, Deutschland, Frankreich, Ungarn, in den Niederlanden, in Japan, Finnland, Dänemark, Spanien, Australien und Neuseeland. Weitere Veranstaltungen sind in Planung (siehe http://www.bigbrotherawards.org). Die Verleihung der Schweizer Big Brother Awards 2005 wurde organisiert vom Archiv Schnüffelstaat Schweiz ASS, von der Swiss Internet User Group SIUG und vom Zürcher Kulturzentrum Rote Fabrik, mit Unterstützung der Gewerkschaft comedia und der Firma Werft22 (live-streaming). Medienpartner sind WOZ Die Wochenzeitung und Le Courrier. Weitere Informationen: Pressefotos: http://www.bigbrotherawards.ch/2005/presse/index.shtml#fotos http://www.bigbrotherawards.ch/pictures/ ===== Kontakt: ===== mailto:info@bigbrotherawards.ch http://www.bigbrotherawards.ch Tel. 079-655.46.84 (Thomas Bader, Catherine Weber, Christoph Müller) ===== Links: ===== http://www.bigbrotherawards.ch http://www.bigbrotherawards.ch/2005/event/ http://www.bigbrotherawards.org (international) http://www.rotefabrik.ch http://www.siug.ch (Swiss Internet User Group) http://www.raben-net.ch/ficherman/ (Archiv Schnüffelstaat Schweiz)