Zweite Schweizer Big Brother Awards

Preisverleihung am Freitag, den 26. Oktober 2001

Zürich, den 16. Oktober 2001

--------- Medieninfo Big Brother Awards 2001 (3d) ---------

Terror und Überwachung sind Geschwister

Sehr geehrte Damen und Herren

Rund zwei Wochen nach dem Attentat vom 11. September 2001 in den USA teilte die Schweizer Bundesanwaltschaft mit, dass der mutmassliche Pilot des einen Flugzeuges am Morgen des 8. Juli in Zürich-Kloten zwischengelandet sei und dabei zwei Taschenmesser und Schokolade gekauft habe. Den Betrag von Fr. 56.- habe Mohammed Atta per Kreditkarte bezahlt. Zudem habe er in vier Bezügen von Geldautomaten insgesamt Fr. 1700.- Bargeld abgehoben.

Im Nachhinein lässt sich dies offenbar rekonstruieren. Als konkreter Tatverdacht dienten die gesammelten Informationen zu Mohammed Atta jedoch nicht. Nichts deutete darauf hin, dass es sich bei ihm um einen entschlossenen Selbstmordattentäter handelte.

Im Nachgang zu dem enormen Angriff auf die Weltmacht USA fordern etliche PolitikerInnen und BeamtInnen einen Ausbau der präventiven Überwachung. In mehreren deutschen Bundesländern wird mit gross angelegten Rasterfahndungen nach Studenten islamischen Glaubens gesucht. In den USA wurde soeben im Eiltempo eine Gesetzesänderung zur massiven Lockerung des Datenschutzes beschlossen. Die Polizeien erhalten in der Anwendung des Internet-Überwachungssystem Carnivore freie Hand. Die Wahrscheinlichkeit, dass mit solchen repressiven Massnahmen Terroranschläge verhindert werden, ist indes verschwindend gering - erfasst werden neben ein paar Kleinkriminellen und unbedachten Hobby-Hackern vor allem: wir selber!

Die zunehmende Überwachung spiegelt eine falsche Sicherheit vor. Längerfristig führt sie zu einer Überanpassung an normiertes Verhalten. Terror und Überwachung sind Geschwister, weil beide unsere Freiheits- und Menschenrechte einschränken.

Mit der Verleihung der zweiten Schweizer Big Brother Awards wenden wir uns gegen zunehmende Überwachung und Bespitzelung - die im übrigen bei weitem nicht nur von Staatsstellen erfolgt, sondern zunehmend auch von einzelnen Unternehmen: Wir alle hinterlassen viel mehr Datenspuren, als uns bewusst ist - zum Beispiel beim Kauf von Taschenmessern oder von Schokolade.

Am Abend des 26. Oktober werden im Zürcher Kulturzentrum Rote Fabrik Pokale für die drei grössten Schnüffelratten aus den Bereichen Staat, Business und Kommunikation verliehen werden - sowie ein Winkelried-Award für lobenswerten Widerstand *gegen* Überwachung und Kontrolle.

Die Veranstaltung findet zeitgleich mit Aktionen in Deutschland und Oesterreich statt. Am Samstag, 27. Oktober, findet zudem ein Workshop zu Datensicherheit und 'safer surfen' statt, am Sonntag, 28. Oktober, ein Rundgang zu Überwachungskameras mit dem Titel Kameratracking.

Für Detailinformationen siehe http://www.bigbrotherawards.ch/2001/event/

Big Brother Awards 2001: Die Nominationen

Bis Ende September 2001 wurden vom Publikum beinahe hundert Nominationsvorschläge für die Schweizer Schnüffelpreise eingereicht. Nach einer Vorprüfung durch das Organisationskomitee werden rund fünfzig ernsthafte KandidatInnen zur Zeit von einer unabhängigen Jury beurteilt (http://www.bigbrotherawards.ch/2001/nomination/).

Wie bereits bei den letztjährigen Big Brother Awards finden sich unter den Nominierten besonders viele Staatsstellen, Beamte und PolitikerInnen. So wurden insgesamt 22 Vorschläge in der Kategorie Staat eingereicht. Darunter finden sich neben mehreren Polizeistellen auch die Liegenschaftenverwaltung einer Grossstadt, die durch ein grosses Interesse an den persönlichen Daten ihrer MieterInnen auffällt und eine Primarschule, die ihre SchülerInnen an ein neues Fingerabdruck-Überwachungssystem gewöhnt. Andere Schulen wurden wegen grober Nachlässigkeit im Datenschutz nominiert.

In der Kategorie Business stehen der Jury insgesamt 15 Unternehmen zur Auswahl. Dabei handelt es sich meist um Firmen, die ihre MitarbeiterInnen ausschnüffeln, die unsorgfältig mit ihren Kundendaten umgehen oder mit Adressen handeln. Bemerkenswerterweise wurden in dieser Kategorie auch einige Unternehmen nominiert, die bereits bei der letztjährigen Preisverleihung einen Big Brother Award oder eine lobende Erwähnung erhielten.

Zu den acht Nominationen in der Kategorie Kommunikation gehören neben politischen Vorstössen zur Ausdehnung der staatlichen Überwachung der Telekommunikation auch der unsorgfältige Umgang mit E-Mail-Konten bei einem grossen Internetprovider oder ein neues Computerprogramm zur Web-Spionage.

Während der Lebenswerk-Award für besonders hartnäckige Schnüffelratten dieses Jahr nicht verliehen wird, wurden gleich drei Gruppierungen für den Winkelried-Award vorgeschlagen. Mit diesem einzigen positiven Preis wird lobenswerter Widerstand gegen Überwachung und Kontrolle belohnt. Die Jury wird sich bei diesem Preis zu entscheiden haben zwischen einer Gruppe von Fussballfans, die sich gegen eine Fichierung durch die Polizei wehrten, der Angestellten eines Call-Centers, bei dem die Mitarbeitenden mit Telefonkontrolle und Videokameras überwacht wurden, sowie einer Gruppe von jungen Internetaktivisten, die gegen den undurchsichtigen Handel mit E-Mail-Adressen ankämpfen.

Bei der Durchsicht der Liste fallen die vielen Nominationen im Zusammenhang mit Kameraüberwachung auf. Die Organisatoren der Big Brother Awards greifen dieses Thema am Sonntag, den 28. Oktober, mit einem Stadtrundgang in besonders intensiv observierten Gegenden auf.

Nach wie vor ist den meisten Leuten nicht bewusst, wie ausführlich ihre Kommunikation im Internet überwacht werden kann. Zur Einführung in diese Thematik findet am Samstag, den 27. Oktober ab 14 Uhr in der Roten Fabrik ein Workshop zu Datensicherheit und 'safer surfen' statt. Der Anlass richtet sich gezielt an interessierte Laien und AnfängerInnen. Nach einer einfach verständlichen Einführung in die Funktionsweisen der Internetkommunikation und in das Verschlüsselungsprogramm PGP (Pretty Good Privacy) findet eine PGP-Key Signing Session statt.

Die Veranstaltungen werden gemeinsam organisiert von der Swiss Internet User Group SIUG, dem Kulturzentrum Rote Fabrik und vom Archiv Schnüffelstaat Schweiz ASS.

Christoph Müller
(für das Organisationskomitee der 2. CH-BBA)


Links

http://www.bigbrotherawards.ch
http://www.bigbrotherawards.ch/2001/event/
http://www.bigbrotherawards.ch/2001/international/
http://www.bigbrotherawards.ch/2001/veranstalter.shtml

sowie demnächst:
http://www.bigbrotherawards.ch/2001/nomination/jury.shtml
http://www.bigbrotherawards.ch/2001/nomination/nominees.shtml

Pressemitteilungen und Bilder:
http://www.bigbrotherawards.ch/2001/presse/

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Zuletzt aktualisiert: Thursday, 18.10.2001 19:57:20