frühlingsüberwachen 2002
Veranstaltungsreihe zur Überwachung
Seit zwei Jahren werden in der Roten
Fabrik jeweils im Herbst Preise für besonders fleissige
Schnüffelratten verliehen. In diesem Frühling greift das
Organisationskomitee der Big Brother
Awards das Thema in einer grösseren Veranstaltungsreihe auf. Es
geht um Überwachung durch Staat und Unternehmen, um Kundenkarten und
Videokameras, um Überwachung am Arbeitsplatz und um die Bespitzelung
der Telekommunikation. Die Vorträge, Ausflüge, Workshops und
Diskussionen bieten Informationen zu unterschiedlichen Methoden der
Überwachung, die uns in unserem Alltag meist nicht bewusst sind.
Darüber hinaus bietet die Veranstaltungsreihe Raum für Debatten über
unseren Umgang mit Überwachung und über Widerstandsformen gegen das
Datensammeln. Welche Spuren hinterlassen wir? Wer verfolgt mit der
Überwachung welche Ziele? Mit welchem Erfolg? Wer überwacht die
Überwacher?
Programm
Eine Veranstaltungsreihe der Swiss Internet User Group (SIUG),
des Archivs Schnüffelstaat Schweiz (ASS) und der
Roten
Fabrik,
in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft //syndikat und mit dem Verein trash.net.
Sie erhalten diese Informationen auch als PDF und als Textdatei.
Mittwoch, 3. April, 20 Uhr im Clubraum der Roten Fabrik
«Die ENFOPOL-Papiere» (Vortrag und Diskussion)
mit Christiane Schulzki-Haddouti und Nick Lüthi
Zeitgleich wurden in diesem Winter in mehreren Ländern Europas neue
Gesetze und Verordnungen zur Überwachung der Telekommunikation erlassen, so
auch in der Schweiz. Ob über herkömmliche Telefone oder Handys, als SMS oder
per Fax, vor allem aber über das Internet: Die Polizei interessiert sich für
unsere "Signale". Auf europäischer Ebene werden laufend neue technische und
organisatorische Schnittstellen definiert, die den Behörden das Lauschen
erleichtern. Die Schlüsselwörter heissen «Schengen», «Sirene», «Cybercrime-
Convention» oder ENFOPOL; die Argumente lauteten zunächst
«Kinderpornografie», dann «Terrorismus», «Hooligans» und «WEF-Gegner».
Gefordert wird ein einheitlicher Abhörstandard, «gegenseitige Rechtshilfe»
und ein europaweiter Datenaustausch. Wird hier ein neuer, europaweiter
Geheimdienst aufgebaut?
In ihrem Vortrag erklärt uns die Journalistin Christiane Schulzki-Haddouti,
«...wie ein Netzwerk europäischer Journalisten und Bürgerrechtler die Pläne
für eine Überwachungsunion Europa durch Veröffentlichung der
Originaldokumente konterkarieren konnte.» Anschliessend erläutert der Berner
Journalist Nick Lüthi die Rolle der Schweizer Behörden im europäischen
Zusammenschluss.
Christiane Schulzki-Haddouti ist Autorin und freie Journalistin mit den
Schwerpunkten Internet und Netzpolitik. Sie schreibt regelmässig in
Publikationen wie «telepolis», «c't» und «Spiegel-online».
Nick Lüthi ist freier Journalist in Bern. Seine Arbeitsschwerpunkte sind
Medien und neue Medien. Er schreibt u.a. für die «WoZ» und für das
online-Magazin «telepolis».
Links zum Thema
Am Dienstag, den 2. April, 20 Uhr, findet im «Käfigturm» in Bern ebenfalls eine Veranstaltung mit Christiane Schulzki-Haddouti und Nick Lüthi statt.
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Montag, 8. April, 19.30 Uhr im Hotel «Widder» am Rennweg 7 in Zürich
«Datenschutz und Privatsphäre am Arbeitsplatz» (Vortrag mit Diskussion)
- eine Veranstaltung der Online Gewerkschaft //syndikat
Die Privatsphäre ist stark unter Druck, auch am Arbeitsplatz! Der Einsatz von IT-Technologien vervielfacht die Möglichkeiten der Überwachung. Die IT-Fachabteilung sieht alles. Naria Moye erzählt von ihren konkreten Erfahrungen: Sie hat sich mit gewerkschaftlicher Unterstützung erfolgreich gegen eine Video-Überwachung am Arbeitsplatz gewehrt. Dr. Beat Rudin, ehemaliger Datenschutzbeauftragter des Kantons Baselland und Geschäftsführer des Symposiums «Privacy and Security», erläutert die rechtlichen Grundlagen: Wann gilt eine Überwachung am Arbeitsplatz als gerechtfertigt? Wie kann ich mich gegen ungerechtfertigte Verletzungen der Privatsphäre schützen?
Eine Veranstaltung der neuen Online-Gewerkschaft //syndikat im Rahmen ihrer «Event-Reihe» //firstmonday und als Auftakt zur Kampagne «I love my privacy». Eintritt frei.
Links zum Thema
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Mittwoch, 10. April, 20 Uhr im Clubraum der Roten Fabrik
«Safer Surfen» (Vortrag und Workshop)
mit Vertretern von SIUG und trash.net
Die Benutzung elektronischer Kommunikationsmittel hinterlässt mehr Spuren, als den meisten Nutzerinnen und Nutzern bewusst ist. In diesem mit dem Fachwissen der «Swiss Internet User Group» (SIUG) und des Vereins «trash.net» organisierten Vortrag und Workshop geht es darum, anhand einfacher Beispiele verständlich zu machen, wie das Internet aufgebaut ist, worauf beim «Surfen» im World Wide Web und beim Versenden von elektronischer Post geachtet werden sollte. Was sind «cookies» und «proxies»? Wie kann ich meinen Webbrowser «sicherer» einstellen? Wie kann ich meine E-Mails verschlüsseln?
Der Workshop richtet sich an interessierte Laien und «AnfängerInnen».
Minimale Alltagskenntnisse im Umgang mit Personal Computer erleichtern den
Zugang. Eine Voranmeldung an das Konzeptbüro der Roten Fabrik ist erwünscht:
konzept@rotefabrik.ch, Tel.
01-482.40.79. Unkostenbeitrag Fr. 20./15.-
Die SIUG (Swiss
Internet User Group) vertritt als Verein die Interessen von Nutzerinnen und
Nutzern des Internet in der Schweiz. Der Verein trash.net betreibt einen nicht-kommerziellen
Internetserver. (Bei Bedarf findet am Donnerstag, den 18. April, im Rahmen des
nachfolgend erwähnten Workshops eine «PGP key signing session» statt.)
Links zum Thema
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Sonntag, 14. April, 14 Uhr beim HB Zürich, Eingang «Landesmuseum»
«Kameratracking» (Rundgang)
mit Vertretern von bigbrotherawards.ch
Wieviele Videokameras überwachen den öffentlichen Raum im Zürcher
Hauptbahnhof? Welche Typen von Überwachungssystemen sind bereits im Einsatz, welche sind geplant? Wozu werden unsere Bewegungen aufgezeichnet? Und: Wer sitzt an den Monitoren der Kameras?
Auf unserem Rundgang durch den Zürcher Hauptbahnhof fragen wir nach dem Zweck der Überwachung und nach den Auswirkungen der pausenlosen Observierung des öffentlichen Raumes auf das alltägliche Verhalten der PassantInnen und der von Kameras überwachten Angestellten. Wir diskutieren die Vorschläge der Datenschutzbeauftragten zur Einschränkung der Videoüberwachung sowie verschiedene Möglichkeiten, sich der privatisierten öffentlichen Kontrolle zu entziehen.
(Da der erstmalige Rundgang im Oktober 2001 anlässlich der Verleihung der Schweizer Big Brother Awards auf grosses Interesse stiess, wird die Begehung nun wiederholt.)
Das Komitee bigbrotherawards.ch organisiert alljährlich die Verleihung von vier Auszeichnungen an besonders fleissige «Schnüffelratten» aus Wirtschaft, Politik und Staat, sowie eines «Winkelried-Awards» für lobenswerten Widerstand gegen Überwachung und Bespitzelung.
Nominationen können direkt auf der Webseite eingegeben werden.
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Mittwoch, 17. April, 20 Uhr im Clubraum der Roten Fabrik
«Wie Clever sind 'Smartcards'» (Vortrag und Diskussion)
mit Matthias Brüstle
Postcard, Cinécard, Cashcard, Mobility-Card - sie alle enthalten einen elektronischen Chip. Solche «Smartcards» ermöglichen uns zu bezahlen, zu telefonieren oder sie berechtigen uns zum Einlass. Im Gegensatz zu anderen Karten können Smartcards Informationen sammeln und verarbeiten. Dies kann einerseits nützlich sein, z.B. als Telefonbuch auf unserem Handy. Anderseits können Smartcards gezielt Daten über einzelne Benutzer speichern. In seinem Vortrag stellt Matthias Brüstle verschiedene Kartentypen vor und erklärt ihre Einsatzgebiete, ihre Möglichkeiten und Grenzen der praktischen Anwendung. Inwiefern können uns «Smartcards» zur Vereinfachung unseres Lebens nützlich sein? Inwiefern fördert ihr Einsatz Überwachung und Kontrolle durch Dritte?
Am Donnerstag, 18. April, abends, findet für Interessierte ein von Matthias Brüstle geleiteter technischer Workshop mit Experimenten im Kartenlesen statt - in Zusammenarbeit mit dem Verein trash.net. Bei Bedarf findet gleichzeitig eine «PGP key signing session» statt. Anmeldungen an: info@bigbrotherawards.ch
Matthias Brüstle ist Diplomchemiker und promoviert am
«Computer-Chemie-Centrum» in Erlangen (D). Er ist Autor einer
Softwarebibliothek zum Auslesen von Smartcard-Informationen und arbeitet
freiberuflich im Chipkartenbereich. Links zum Thema
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Sonntag, 21. April 2002, Abfahrt 9 Uhr beim Carparkplatz am Zürcher Hauptbahnhof
«Reise nach ONYX» (Ausflug)
mit Duncan Campbell
«Einmal mehr reitet die Steckenpferd-Kavallerie eine Attacke gegen den Nachrichtendienst!» empörte sich der Abgeordnete Oehrli (SVP, BE) im Dezember 1999. Im Nationalrat wurde über einen Kürzungsantrag der Linken gegen den «Bundesbeschluss über militärische Immobilien» debattiert. Der Antrag blieb ohne Chance: Die bürgerliche Mehrheit zeigte sich mit Oehrli einstimmig davon überzeugt, «...dass wir einen Nachrichtendienst brauchen, und zwar einen tüchtigen.» Dabei ging es bei diesem Kredit von 386,12 Mio. Franken offiziell gar nicht um den Nachrichtendienst, sondern um «bauliche Anpassungen», etwa um die Vergrösserung von Büroräumlichkeiten, den Einbau einer Notstromversorgung, oder um Fassaden- und Dachsanierungen. Satellitenabhöranlagen? - Die Militärpolizei klärt auf: «Das schweizerische Abhorchsystem Onyx (vormals Satos) ... soll Telefon-, Fax- und E-Mail-Kontakte via Satellit systematisch aushorchen.»
Zusammen mit dem Überwachungsspezialisten Duncan Campbell machen wir einen
Ausflug durch die Schweiz und besichtigen die frisch sanierten militärischen
Fassaden.
Als «investigative journalist» befasst sich Duncan Campbell seit vielen Jahren mit militärischen Überwachungssystemen. 1988 deckte er die Existenz der ECHELON-Satellitenüberwachung auf. (Englisch mit Übersetzung.)
Anmeldungen an die Rote Fabrik, Tel. 01-482.40.79, konzept@rotefabrik.ch (Platzzahl
beschränkt! Dauer: von 9 Uhr bis ca. 17 Uhr, Kosten: ca. Fr. 30.-/25.- ohne
Verpflegung) Links zum Thema
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Mittwoch, 24. April, 20 Uhr im Clubraum der Roten Fabrik
«Data Mining und Customer Care» (Vortrag und Diskussion)
mit Sarah Spieckermann
«Cumulus» und «Supercard» sind zwei Beispiele von Kundenkarten, die es Unternehmen ermöglichen, Daten über unser Einkaufsverhalten zu sammeln. Jeder Einkauf wird dabei registriert und ausgewertet. Der Vortrag behandelt das Spannungsfeld zwischen Privatsphäre, Data Mining und Customer Relationship Management. Sarah Spieckermann erklärt grundlegende Begriffe und erläutert, weshalb Privatunternehmen Informationen über uns sammeln und welche Vorteile sie sich davon erhoffen. Welche Informationen sind für Unternehmen wertvoll? Wozu werden die Daten verwendet? Welchen Stellenwert hat anderseits die Privatsphäre? Die meisten Menschen schätzen ihre Privatsphäre zwar als wichtig ein, verhalten sich aber dennoch nicht immer entsprechend. Wie kann ich meine Privatsphäre vor Unternehmen schützen? Wie nützlich sind dabei Datenschutzgesetze, wie nützlich sind technische Vorkehrungen?
Dr. Sarah Spieckermann ist Freelance Consultant. Ende 2001 promovierte sie am Institut für Wirtschaftsinformatik an der Humboldt-Universität Berlin zu «Online Information Search with Electronic Agents: Drivers, Impediments, and Privacy Issues». Einer ihrer Forschungsschwerpunkte befasst sich mit dem Schutz der Privatsphäre.
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Sonntag, 28. April, 14 bis 17 Uhr im Clubraum der Roten Fabrik
«Lass Dich nicht listen!» (Diskussion)
mit dem Netzkünstler padeluun und Mitgliedern der Aktionsgruppen LAN, bigbrotherawards.ch, u.a
Aufklärung mittels Vorträgen und Workshops ist nur eine von vielen Möglichkeiten, sich gegen zunehmende Überwachung und Bespitzelung zur Wehr zu setzen - und in der Regel keine besonders lustvolle... An diesem Nachmittag setzen wir uns mit Varianten auseinander, die von der Forderung nach einer konsequenten Veröffentlichung aller gesammelten Daten über die Sabotage mittels Datenklonierung und «Überflutung der Systeme» bis hin zu Spiegelungstaktiken und zu satirischen Drehungen reichen. Wenn die Überwachung darauf abzielt, uns ohne unsere Einwilligung zu «lebenden Bewegungsmeldern» zu machen und versucht, uns in subtiler Weise zu disziplinieren: Mit welchen witzigen, hartnäckigen, lustvollen und doppelt so subtilen Methoden lassen wir die Datenschnüffler ins Leere laufen?
padeluun ist als Künstler eine tragende Kraft des Vereins FOEBUD.eV. und
Mitorganisator der Big Brother
Awards.de. Er lebt und arbeitet in Bielefeld. LAN (Local Area Network)
ist ein Label des Studienbereichs Neue Medien der Hochschule für Gestaltung und
Kunst Zürich. LAN erstellt netzorientierte, interaktive Projekte, so auch
tracenoizer, ein Programm zur Klonierung von Internetdaten.
Das Organisationskomitee bigbrotherawards.ch verleiht jährlich
einen Förderpreis für besonders hartnäckige Schnüffelratten. Die
Preisverleihung und die Veranstaltungsreihe frühlingsüberwachen
entstanden aus einem Zusammenschluss des Vereins SIUG (Swiss Internet
User Group), der Stiftung «Archiv Schnüffelstaat Schweiz» (ASS) und
des Kulturzentrums Rote Fabrik in Zürich.
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