frühlingsüberwachen 2003
Veranstaltungsreihe zur Überwachung
Die Reihe frühlingsüberwachen befasst sich
in sechs Veranstaltungen mit dem Thema der zunehmenden
Überwachung und Kontrolle. Ähnlich wie im Vorjahr wird zum
einen anhand konkreter Beispiele über verschiedene Methoden der
Überwachung informiert. Zum anderen diskutieren
und debattieren wir über die gesellschaftliche Bedeutung
und über mögliche Auswirkungen der Überwachung. Neben
vier Vorträgen jeweils am Mittwochabend in der Roten
Fabrik
finden eine Exkursion zu Kameras im Zürcher Langstrassenquartier
und ein witzig-instruktiver Parcours zur nachbarschaftlichen Kontrolle
im Alltag statt.
Die Organisation erfolgt in Zusammenarbeit mit der Swiss Internet User Group (SIUG), dem
Verein trash.net
und der Stiftung Archiv Schnüffelstaat Schweiz
(ASS).
frühlingsüberwachen steht in einem engen
Zusammenhang mit der Preisverleihung der Schweizer Big Brother Awards: Alljährlich im Herbst werden Betonpokale für
besonders fleissige Schnüffelratten verliehen. Die Nomination
erfolgt durch das Publikum.
Programm
Sie erhalten diese Informationen auch als Flyer, Faltblatt und Programm im PDF-Format.
Samstag, 5. April 2003, Treffpunkt 14 Uhr beim Denkmal der
Arbeiterfamilie am Helvetiaplatz (anschliessend Diskussion im Zeughaushof, 16 Uhr, Film 20 Uhr, siehe unten)
Kamerarundgang im Kreis vier
Digitale Videokameras und Aufzeichnungsgeräte werden immer
günstiger und finden zunehmende Verbreitung. Nachdem wir uns in
den letzten beiden Jahren mit Kameras im Zürcher Hauptbahnhof
befassten, besuchen wir nun das Gebiet um die Zürcher
Langstrasse, wo der Gemeinderat kürzlich der Stadtpolizei die
Installation von mobilen Überwachungskameras erlaubte. Die
meisten Kameras werden aber von Privatpersonen betrieben.
Auf unserem Rundgang stellen wir verschiedene Kameratypen vor und
fragen nach deren Zweck und Funktion: Wozu werden Kameras
eingesetzt? Welche Hoffnungen und Ängste stehen als Motive
dahinter? Wie ist der Erfolg von Kameras vor dem Hintergrund
vergleichender Untersuchungen aus anderen Städten?
Nach dem knapp zweistündigen Rundgang findet von 16 bis 18
Uhr im Zeughaushof eine öffentliche Diskussion statt.
Um 20 Uhr Filmvorführung in
Zusammenarbeit mit der Reihe «Frühlingsflimmern».
Eventuell draussen.
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Samstag, 5. April 2003, 20 Uhr im Zeughaushof
Rear Window (Das Fenster zum Hof)
Ein Thriller von Alfred Hitchcock
Einmal mehr spielt Hitchcock, Meister des Psycho-Thrillers, mit
der Angst des unschuldigen Protagonisten, der in ein Verbrechen
verwickelt wird: Der Sensationsfotograf L. B."Jeff" Jeffries ist
wegen eines gebrochenen Beines für sieben Wochen an den Rollstuhl
gefesselt. Aus Langeweile beobachtet er über den Hinterhof hinweg
die Geschehnisse in den anderen Wohnungen. Dann glaubt er, Zeuge
eines Verbrechens zu sein: Obwohl er die Tat nicht gesehen hat,
wundert ihn das seltsame Verhalten eines Nachbarn, dessen Frau
verschwunden ist. Hat der Kerl seiner Ehe ein gewaltsames Ende
bereitet?
USA 1954, Regie: Alfred Hitchcock
Buch: John Michael Hayes (nach einer Kurzgeschichte von Cornell
Woolrich)
Kamera: Robert Burks
Musik: Franz Waxman
Mit: James Stewart (Jeff), Grace Kelly (Lisa), Wendell Corey
(Doyle, der Detektiv), Thelma Ritter (Stella), Raymond Burr
(Thorwald), Judith Evelyn, Ross Bagdasarian, Georgine Darcy.
112 min., Technicolor (restauriert)
Original mit Untertiteln (Edf).
Links zum Thema
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Mittwoch, 9. April 2003, 19.30 im Clubraum der Roten Fabrik
Der Wert persönlicher Daten (Vortrag)
mit Matthias Leisi
Persönliche Daten sind inzwischen zu einem Handelsgut
geworden: Sie werden von professionellen Unternehmen gesammelt,
aufbereitet, sortiert, gruppiert und weiterverkauft oder vermietet.
Adresshandel und Datenhandel ist ein Markt: Wie hoch ist der Wert
meiner persönlichen Daten aus oekonomischer Sicht? Wie kann
dieser Wert bemessen werden? Wie verändert er sich über die
Zeit hinweg?
Das von Matthias Leisi präsentierte Projekt basiert auf dem
ökonomischen Prinzip der Auktion. Die Preisbildung erfolgt durch
die Simulation eines "reinen", nachfrageorientierten Marktes. Wie
reagiert dieser Markt auf neue Ereignisse? Wie kann der Wert
persönlicher Daten erhöht oder reduziert werden?
Das Ziel des Projekts besteht darin, sich des (oekonomischen)
Wertes der eigenen Daten bewusster zu werden und
Einflussmöglichkeiten zu erkennen.
Matthias Leisi ist Oekonom und Spezialist für Computer und
Datenschutz.
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Mittwoch, 16. April 2003, 19.30 im Clubraum Roten Fabrik
Grenzsanitarisch gestempelt (Vortrag)
mit Gertrud Ochsner
Die EU plant, computerlesbare "Gesundheitskarten"
einzuführen. Auf diesen Chipkarten sollen neben Name, Alter
und Adresse auch besondere körperliche Merkmale festgehalten
werden. Körperliche, oft unsichtbare Eigenschaften würden
somit in einem Identitätspapier festgeschrieben,
veränderliche Körperzustände als
Körpermerkmale fixiert und registriert.
Das Prinzip dieser Praxis ist nicht neu: Während und nach
den Weltkriegen ordneten die eidgenössischen
Gesundheitsbehörden "verschärfte Massnahmen zur
Verhinderung der Einschleppung ansteckender Krankheiten" an.
Einreisewillige wurden grenzsanitarisch untersucht und seit 1946
auch nach Tuberkulose durchleuchtet. Der Befund dieser
Untersuchungen wurde binär codiert (1=gesund,
2=krank/gebrechlich). Spätestens ab 1948 wurde dieser Code in
den Pass all jener AusländerInnen gestempelt, welche an die
Grenze gelangten, um in der Schweiz zu arbeiten. Die
Krankgestempelten durften gar nicht erst einreisen. Der
standardisierte Stempel ermöglichte, das grenzsanitarische
Kontrollnetz zu verdichten und Ein- und Ausgrenzungen vorzunehmen.
Gertrud Ochsner präsentiert ihre historischen Recherchen und
erläutert die Zusammenhänge, die zu diesem
Grenzsanitätsstempel führten.
Gertrud Ochnser studiert Soziologie sowie Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte an der Uni Zürich.
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Mittwoch, 23. April 2003, 19.30 im Clubraum der Roten Fabrik
Freitag, 25. April 2003, 18-20, Literaturapéro im Politforum
Käfigturm, Eintritt frei (Kollekte)
Der 11.9. und andere Verschwörungen (Vortrag)
mit Mathias Bröckers
11+9+2+0+0+1=23, die Zahl der Illuminaten! Der Journalist und
Verschwörungsspezialist Mathias Bröckers geht der
Bedeutung von Klatsch, Intrigen und Verschwörungen nach.
Angefangen bei der frühgeschichtlichen Verschwörung der
Bakterien bis hin zu aktuellen Methoden der modernen
(Des-)Informationskriegsführung («infowar») zeigt
er auf, dass Zauberei und Magie heute nicht ausgestorben sind.
Informationen werden oft mit einer ganz bestimmten Absicht
inszeniert: «Wer Chaos erzeugt, will Kontrolle ausüben;
wer Angst einjagt, will Sicherheit verkaufen.» Andererseits
lassen sich Verschwörungen kaum je restlos auf eine eindeutige
Täterschaft mit einem klaren Plan zurückführen. Nach
William S. Burroughs: «(Nur) ein Paranoiker kennt immer alle
Fakten.»
Es geht Bröckers um die «Einübung des
konspirologischen Blicks». Die erste konspirologische Frage
lautet: «Und was steckt dahinter?» Der 11. September
2001 mit seiner langen Reihe von Ungereimtheiten bietet ihm einen
reichen Fundus an anschaulichem Material: Was haben Erdöl und
Narco-Dollars mit dem 11.9. zu tun? Gibt es eine «Kosher
Conspiracy»? Wenn die CIA nicht involviert war: Was hat sie
stattdessen getan?
Für Bröckers sind Verschwörungstheorien
«Spaghettitheorien: Welchen Faden man auch herauszieht, man
macht sich die Finger schmutzig.»
Mathias Bröckers war Redaktor bei der taz und ist heute freier
Journalist und Buchautor. Nach einem Lexikon der
Verschwörungstheorien erschien 2002 im Verlag Zweitausendeins
sein Buch "Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die
Geheimnisse des 11.9." Teile dieses Buchs wurden zuvor als Tagebuch
im Internet veröffentlicht («The WTC Conspiracy»,
www.telepolis.de).
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Samstag, 26. April 2003, 14 bis 18 Uhr in der Aktionshalle der
Roten Fabrik
007 - leicht gemacht (Parcours)
mit Vertretern der Big Brother Awards
Es ist nicht immer der «böse Staat», der uns
ausspioniert! Mit einfachen technischen Mitteln wird es auch
für uns selber immer einfacher, unsere Partner,
Mitbewohnerinnen und Kinder zu überwachen. Ein lehrreicher und
witziger Parcours stellt verschiedene alltägliche
Geheimdienstmethoden vor: Überwachung der
Internetkommunikation, Raumüberwachung mit versteckten Kameras,
geheime Tonaufnahmen, usw. Ein besonderer Schwerpunkt wird auf die
Überwachung mobiler Telefone gelegt.
An den einzelnen Stationen des Rundgangs besteht jeweils die
Möglichkeit, sich darüber kundig zu machen, wie man das
Risiko solcher Formen von Alltagsüberwachung verringern kann.
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Mittwoch, 30. April 2003, 19.30 im Clubraum der Roten Fabrik
Metzlers neue Staatsschutzpläne (Vortrag)
mit Heiner Busch
«Die Vorlage zielt vor allem gegen Rassismus und
Rechtsextremismus, aber sie umfasst auch den Hooliganismus und die
Gewaltpropaganda - unabhängig davon, ob sie von links oder
rechts kommt.» Bei der Vorstellung des Entwurfs eines
«Bundesgesetzes über Massnahmen gegen Rassismus,
Hooliganismus und Gewaltpropaganda» am 12. Februar machte
Bundesrätin Ruth Metzler vor allem eines klar: dass ihr jeder
Anlass recht ist, um mehr Befugnisse für die
Schnüffelpolizei zu erhalten. Geplant ist nicht nur ¬
pünktlich zur Fussball-Europameisterschaft 2008 ¬ eine
«Hooligan-Datenbank», sondern auch eine Neuauflage des
sogenannten Propaganda-Beschlusses von 1948. Die neue Bestimmung
soll es u.a. ermöglichen, ohne Ermittlungsverfahren und ohne
richterlichen Beschluss Zeitungen oder Flugblätter einzuziehen
und Websites sperren zu lassen, in denen zu «Gewalt»
aufgerufen wird. Die Staatsschützer und ihre Bundesräte
lassen keinen Zweifel daran, dass damit auch GegnerInnen der
kapitalistischen Globalisierung gemeint sind.
Heiner Busch schreibt als Journalist regelmässig in der WoZ,
ist Redaktor der Zeitschrift «CILIP - Bürgerrechte und
Polizei» und engagiert sich beim Archiv Schnüffelstaat
Schweiz.
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