Laudatio zur Verleihung der 4. Schweizer Big Brother Awards
am Samstag, 1. November 2003, abends im Dachstock Reithschule in Bern
im Anschluss an eine Eröffnungsrede von Mario Flückiger,
Datenschutzbeauftragter
der Stadt Bern,
vorgetragen vom Schauspieler Ernst Jenni,
mit Beiträgen des «Gans und Gloria»,
und mit zwei Videospots von mixer (THX to bba.at.)
Neben dieser HTML-Version gibt es die Laudatio auch als pdf oder als Text.
BBA-Laudatio 2003 -- Version 3-bis
des Event zur Verleihung
der 4. Schweizer «Big Brother Awards»
mit Beiträgen des Duos «Gans &
Gloria»
am Samstag, 1. November 2003, abends
im Dachstock der Reitschule Bern
Show von ca. 60 bis 90 Minuten
Stil: seriös-satirische Laudatio,
mit Anlehnungen an «Oscar»-Verleihung
mit Beiträgen des Duos Gans & Gloria
mit einer Eröffnungsrede von Mario
Flückiger,
(Datenschutzbeauftragter Stadt Bern)
Moderation: Ernst Jenni
20 Uhr: Beginn
Begrüssung und INTRO
durch das Organisationskomitee: (Stichworte:)
Wir begrüssen Sie zur diesjährigen Preisverleihung der
vierten Schweizer «Big Brother Awards». Mit der
Verleihung dieser Preise in den vier Kategorien Staat, Business,
Kommunikation und Lebenswerk werden diejenigen Personen,
Organisationen oder Institutionen ausgezeichnet, die sich in den
vergangenen zwölf Monaten besonders hervorgetan haben mit der
Überwachung und Bespitzelung der Bevölkerung.
Warum werden
die Big Brother Awards vergeben?
Neben diesen vier Negativpreisen verleihen wir heute auch einen
<Winkelried>-Award als Preis für lobenswerten Widerstand
gegen Ueberwachung und Bespitzelung.
Die ersten «Big Brother Awards» wurden vor sechs
Jahren in Grossbritannien verliehen. Seither weitet sich die Aktion
immer stärker aus, so dass heute Pokale in mehr als einem
Dutzend Ländern, in vier Kontinenten, verliehen werden.
In der Schweiz findet die Preisverleihung dieses Jahr bereits
zum vierten Mal statt. Sie wird organisiert von der Swiss Internet User Group und vom Archiv Schnüffelstaat
Schweiz und findet heute erstmals in Bern statt.
- [Bild: Logos Archiv ASS, SIUG]
Der Anlass wird unterstützt von der Roten Fabrik
Zürich, dem Dachstock der Reitschule Bern, vom Verein
«trash.net» und den Gewerkschaften
«//syndikat» und «comedia».
Bevor wir mit der Preisverleihung beginnen, freut es uns, Ihnen
Mario Flückiger vorzustellen. Er ist Ombudsmann und
Datenschutzbeauftragter
der Stadt Bern und Sie können sich
sicher vorstellen, dass er in dieser Funktion täglich mit
Verletzungen des Datenschutzes konfrontiert ist. Er wird Ihnen
nun...
- [Bild: evtl. Logo Datenschutzbeautragter der Stadt
Bern]
Wir freuen uns, Mario Flückiger heute bei uns
begrüssen zu dürfen.
ca. 20:10 Uhr: Rede von Mario
Flückiger:
- [Auftritt Flückiger] Rede (ca. 10 Minuten)
(...)
Überleitung durch das Organisationskomitee
(Stichworte):
Vielen Dank, Herr Flückiger!
Es ist sehr wichtig, dass sich Menschen wie er in ihrer
täglichen Arbeit gegen Datenschutz-Verletzungen zur Wehr
setzen und in regelmässigen Berichten veröffentlichen.
Die einen oder anderen Fälle schaffen es jeweils auch, bei uns
für einen «Big Brother Award» nominiert zu
werden.
Bis Ende August wurden uns über 80 Vorschläge von
Kandidatinnen und Kandidaten eingereicht. Die Nomination der
Preisträger erfolgt jeweils durch das Publikum, die Auswahl
durch eine unabhängige Jury mit Persönlichkeiten, die
sich in verschiedenen Gebieten gegen Überwachung und Kontrolle
und für den Schutz der Privatsphäre einsetzen. -- Liste
der Nominierten
Heute nun -- mit Spannung erwartet -- können wir Ihnen die
Gewinnerinnen und Gewinner vorstellen.
Dazu begrüssen wir natürlich wie immer auch den
Vertreter der staatlichen Überwachung -- man kann ja immer
noch etwas dazulernen! --
und wir begrüssen das Duo Gans & Gloria, das
uns durch den Abend begleiten wird.
- [Gans & Gloria: Intro (sollte instrumental sein, bzw.
ohne Worte)]
Danke! Und besonders begrüssen wir Ernst Jenni, der uns
durch den heutigen Abend führen wird. TUSCH!
- [Auftritt Ernst Jenni, Applaus] -- [Musik: kurzer
Tusch]
ca. 20.15 SHOW zur Preisverleihung
Meine sehr verehrten Damen und Herren: Willkommen zur
Preisverleihung der vierten Schweizer BIG BROTHER AWARDS. An der
heutigen Galaveranstaltung werden Ihnen die Gewinnerinnen und
Gewinner der Pokale für die grössten Schnüffelratten
der Schweiz vorgestellt.
Überwachung, meine Damen und Herren, ist ein hochaktuelles
Thema: Staat wie Wirtschaft scheuen keine Anstrengungen, um immer
mehr und immer detailliertere Informationen über uns zu
sammeln.
Keine leichte Aufgabe, wie Sie sich sicherlich vorstellen
können: Datensammeln erfordert nicht nur Fleiss und
Ausdauer, sondern auch Kreativität!
Nehmen wir den Staat: Bedrängt von rechts und von rechts;
oft als träge und bürokratisch belächelt, erweist er
sich als überaus schnell und effizient, wenn es darum geht,
die Bürgerinnen und Bürger daten-mässig zu erfassen
und zu verarbeiten. Auch der Staat hat mittlerweilen gelernt, dass
er die Nähe zu seiner Kundschaft AKTIV suchen muss. So gelingt
es mancher Amtsstelle, der oft beklagten «Anonymisierung der
Gesellschaft» wirkungsvoll entgegenzutreten.
Oder nehmen wir die Privatwirtschaft, die mit grossem Elan Daten
über uns sammelt und diese Daten nicht selten sogar in
lukrative «business cases» zu transformieren versteht:
Mit dem Datenhandel ist ein neuer, zukunftsträchtiger Markt
entstanden: Wissen ist Macht, Informationen sind Wert, Daten
sind «Cash».
Heute nun darf ich Ihnen die Gewinnerinnen und Gewinner der
vierten Schweizer «Big Brother Awards» vorstellen, und
zwar in fünf
Kategorien.
erster Block: Kategorie STAAT
- [Luigi e Mario enthüllen den
«Staats»-Betonpokal, Beleuchtung ansteigend.]
Beginnen wir mit der Kategorie «Staat»: Beinahe
jeder dritte Kandidat bewirbt sich um einen Pokal in dieser
Kategorie.
16
Nominationen lagen der Jury zur Auswahl vor, darunter mehrere
Polizeikommandos, eine Volkspartei, drei Parlamente -- ja sogar der
Bundesrat bewirbt sich um einen Betonpokal!
Keine leichte Wahl: Soll jene Mehrheit des Nationalrates
belohnt werden, die dafür sorgte, dass in Zukunft
möglichst alle von uns in einer modernen Gen-Datenbank
registriert werden?
Oder der Grossrat des Kantons Basel-Land, der in einem neuen
Gesetz verlangt, dass allen baselländischen Hunden
künftig ein Mikrochip
implantiert werden muss?
Oder aber die Konferenz der Strafverfolgungsbehörden, ein
informelles Gremium, das sich dafür einsetzt, dass Polizisten
Software-Wanzen
und anderes Ungeziefer in private Computer
einschmuggeln dürfen?
Meine Damen und Herren: Die vier besten Nominierten in der
Kategorie «Staat», in alphabetischer Reihenfolge:
- [folgende Präsentation unterstützt durch
projizierte Bilder]
[1] - Der Bundesrat, vertreten durch Frau Bundesrätin
Ruth Metzler,
für die «Verordnung betreffend die Ausdehnung der
Auskunftspflichten und des Melderechts von Behörden,
Amtsstellen und Organisationen zur Gewährleistung der inneren
und äusseren Sicherheit».
Diese bereits im November 2001 per Notrecht erlassene Bestimmung
richtet sich an alle «Organisationen und Anstalten, die
öffentliche Aufgaben wahrnehmen» -— also zum
Beispiel an Spitäler, Schulen oder Verkehrsbetriebe. Diese
Organisationen werden nicht nur dazu VERPFLICHTET, den
Staatswächtern auf freundliche Anfrage hin Informationen zu
verdächtigen Personen zu übermitteln, sondern sie werden
auch dazu BERECHTIGT, Informationen VON SICH AUS weiterzuleiten:
Ein modernes, ausgewogenes Verhältnis von Rechten und
Pflichten!
Zu loben ist im weiteren das strategische Geschick des
Bundesrates: Da es sich um eine Verordnung handelt, werden
langfädige Parlamentsdiskussionen elegant umgangen und
lästige Referendumsfristen behende übersprungen.
[rügend:] Es ist der Jury allerdings nicht
entgangen, dass sich der Bundesrat nun bereits zum zweiten Mal mit
derselben Vorlage für einen «Big Brother Award»
bewirbt. (Nomination 2002, Laudatio
2002) Zunächst war die Notrecht-Verordnung nämlich auf
EIN Jahr begrenzt. Nachdem sie bei der letztjährigen
Preisverleihung nur einen Trostpreis erhielt, erneuerte der
Bundesrat sie im letzten November jedoch stillschweigend um ein
weiteres Jahr.
Einige Jury-Mitglieder äusserten in der Folge einen
gewissen Missmut, warfen Frau Metzler Konservatismus und mangelnde
Kreativität vor, oder sprachen gar von einer
«Zwängerei».
[2] - Der Gemeinderat von Mörschwil, Kanton St.
Gallen,
für seinen Aufruf, Asylsuchende konsequent zu
beobachten.
In einer amtlichen Mitteilung forderte der Gemeinderat die
Bevölkerung der schönen, reichen und sauberen Gemeinde
hoch über dem Bodensee auf, die 14 im Dorf lebenden
Asylsuchenden fortan genau zu beobachten und Unkorrektheiten sofort
zu melden. In vorbildlicher Weise agiert hier eine Behörde
vorausschauend, nämlich bereits BEVOR ein konkreter
Anlass vorliegt -- und also bevor es zu spät sein
könnte!
Immerhin gab es in den vergangenen 14 Jahren, seit Asylsuchende
in Mörschwil untergebracht sind, bereits ZWEI
«Vorkommnisse»! Einmal kam es zu einer Schlägerei,
und einmal wurde gar eine Pfanne aus einem Fenster geworfen!
Stellen wir uns vor, was in Zukunft noch alles passieren
könnte! Denken wir an unsere Frauen und Kinder! an unsere
Katzen und Kaninchen!
Misstrauen und Bespitzelung der Nachbarn, meine Damen und
Herren, dies steht am Anfang jeder ordentlichen Bürgerwehr!
[3] - Die Kantonspolizei Genf, zusammen mit dem
Untersuchungsrichter Stéphane Esposito,
für ihre Internet-Fahndungsaktion.
Im Anschluss an die Demonstrationen gegen den G8-Gipfel vom Juni
2003 in Genf veröffentlichte die Genfer Polizei in Absprache
mit dem Untersuchungsrichter Stéphane Esposito auf ihrer
Internetseite 39 Fotos von gefährlichen Menschen, die an einer
[konspirativ:] DEMONSTRATION teilgenommen haben sollen!
LANDFRIEDENSBRUCH wurde ihnen vorgeworfen!
Die Jury hebt in diesem Fall besonders den Erfindungsgeist der
Genfer Polizei hervor, mit welchem sie eine alte, längst
verstaubt geglaubte Methode aus dem Mittelalter in einer
innovativen Weise neu umgesetzt: den Pranger.
Bereits wird das Genfer Vorgehen nachgeahmt: So sollen auf den
Internetseiten der Aargauer Polizei sogar [konspirativ:]
GARDEROBEN-DIEBE zu sehen sein!
[4] - Bundesrat
Samuel Schmid vom Departement VBS,
für besondere Gründlichkeit bei der Befragung von
angehenden Rekruten.
Bei ihrer Aushebung müssen die 20'000 Stellungspflichtigen
nicht 20 Fragen beantworten, nicht 100, sondern über 500!
Einige Beispiele aus der psychologisch ausgeklügelten
Erhebung: «Litten Sie in den vergangenen sieben Tagen unter
Schmerzen beim Wasserlösen?» — «Mochten Sie
in ihrer Kindheit keinen Fussball?» — «Haben Sie
zwei linke Hände?» Nach Selbstmordgedanken wird gefragt,
nach Drogenerfahrungen und sexuellen Vorlieben, nach Migräne,
Stottern und Nägelkauen...
Damit sich die Daten zügig sammeln lassen, füllen die
Rekruten den Fragebogen gleich am Computer aus. So wird zugleich
sichergestellt, dass keine Frage vergessen wird. Die wichtigsten
Angaben werden anschliessend in die zentrale Datenbank
«Medisa» des Bundes übernommen, in die
persönlichen Krankenakten eingefügt und während rund
20 Jahren in sicheren Kavernen aufbewahrt.
Zu Recht loben sich die Entwickler des Fragebogens in der
«Ärztezeitung» und weisen darauf hin, dass --
Zitat: «...die Armee mit der Durchführung einer
psychiatrischen Musterung seit diesem Jahr eine zentrale Stellung
hinsichtlich der öffentlichen, geistigen Gesundheit
[übernimmt]».
Vier Kandidaten, vier Pioniere mit vier innovativen
Ansätzen zum Schutz der Bevölkerung. Für welchen hat
sich die Jury entschieden?
- [Gehilfen bringen den Bilderrahmen und einen Umschlag;
überreichen dem Moderator den Umschlag...]
- [Musik: ansteigender Trommelwirbel.....]
- [Moderator: öffnet den Umschlag ]
Meine Damen und Herren: Der grosse Schweizer «Big
Brother Award», der STAATS-Award geht an ... das VBS, Herrn
Bundesrat Samuel Schmid! TUSCH!
- [Musik: Tusch ] --- [Publikum: Applaus...]
Begründung: «New Public Management» darf auch
bei der Armee nicht bloss eine Floskel bleiben! Mit seiner
umfassenden Rekrutenbefragung zeigt das VBS in vorbildlicher Weise
auf, was «Customer Relationship Management» konkret
heisst: «Know Your Customer!»
Das Vorgehen ist gleichzeitig umsichtig und vorausschauend.
Wieso soll sich nicht auch die Schweizer Armeeführung bereits
im voraus über die Gewohnheiten ihrer angehenden Soldaten und
Offiziere gründlich informieren? Nehmen wir zum Beispiel das
Problem des Bettnässens: Schon aus den Bedürfnissen der
Logistik betrachtet ist es durchaus sinnvoll, die Anzahl
benötigter Bettwäsche der verschiedenen Rekrutenschulen
möglichst frühzeitig zu koordinieren!
Die Jury gratuliert Herrn Bundesrat Schmid zu dieser umsichtigen
Truppenplanung!
Ist Herr Schmid heute bei uns anwesend? Oder Herr Sigg?
- [Dann entweder Preisübergabe, oder aber ...
Wir werden Herrn Schmid die Auszeichnung gerne ins Bundeshaus
überbringen.
- -- [Applaus] --- [Luigi e Mario ab.]
- [Gans & Gloria: erster Beitrag] circa 3 bis 5
Minuten
zweiter Block: Kategorie BUSINESS
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir kommen zur zweiten
Kategorie: Der "BUSINESS AWARD"! SIEBENUNDZWANZIG
Nominationen
wurden in der Kategorie «Business» eingereicht, 27
hervorragende Beispiele von Effizienzsteigerung, «customer
care» und Adressenhandel.
Besonders beliebt ist auch dieses Jahr wieder das Sammeln von
Kundendaten, zum Beispiel mit unverfänglichen Fragebögen,
wie es der TCS
und die Crédit
Suisse demonstrieren. Die
Jung-Firmen «WelcomeTickets» und «Klicket
AG» kandidieren mit dem Verkauf von personalisierten
elektronischen Tickets für Veranstaltungen.
Etabliertere Unternehmen wie die Helsana
oder die UBS bewerben
sich mit der Weitergabe von Kundendaten an Drittfirmen,
während Migros
und Orange für geheime Personaldossiers
nominiert wurden. Die SBB,
der Zürcher
Verkehrsverbund und die
Basler
Verkehrsbetriebe wiederum versuchen es mit einem Ausbau der
Videoüberwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Es ist ein bekanntes Phänomen, dass grössere
Unternehmen nicht denselben Grad an Kreativität aufweisen wie
kleinere. Als besonders initiatives Beispiel möchte die Jury
das kleine Grand
Hotel Bellevue in Gstaad
hervorheben. Mit zwei Web-Kameras offeriert die Hoteldirektion
sowohl ihren Gästen wie auch dem Rest der Welt während 24
Stunden im Tag einen Internet-Einblick in die Hotelküche.
Um Ihnen, verehrtes Publikum, diese bahnbrechende Entwicklung
näher vorzustellen, haben wir für Sie heute Abend
exklusiv eine Live-Direktschaltung nach Gstaad organisiert.
Für uns in Gstaad ist der Reporter Gaudenz Baradelli.
Live-Schaltung nach Gstaad... (1)
- Bild & Ton: zunächst Signet «BBA-TV»,
dann
Eurovision: Signet (ab Computer) und Melodie.(ab CD)
- [Reporter Gaudenz Baradelli "live" aus Gstaad:
(off)]
- [Reporter, langsam, gelangweilt, träge:] Gruessech
mitenang.... I bi hie im Graaaa Hotel Belllwü in Gschtaaad, im
Indoor-Bereich - es git hie e Indoor und e Outdoor-Bereich, das
isch aehnlich wie bim Tennis... Und wie bym Tennis wird jetzt ou
das wo hie ir Chuchi passiert äbe diräkt übertreit.
.. D'Chööch si am choche.... Louch-Chueche und
verschiedeni Salööööt --- Näbe mir schteit
jetzt der Chefkoch Meili: Was mached dir daaaaaaa? (Meili: "Roulade
à la mode de .... ") --- etc.....
I gibe zrügg uf Bärn -- Gaudenz Baradelli für
BBA-TV.
Zurück zum «Big Brother Award» in der Kategorie
«Business»: Wie wir alle wissen, ist das «quality
management» der Kundschaft längst zu einem strategischen
Erfolgsfaktor geworden. Es versteht sich heute von selbst, dass die
Unternehmen wissen wollen, wie es uns geht, wie wir unsere Tage
verbringen, und was wir alles kaufen.
Aber auch eine gründliches Wissen über die
Angestellten wird in allen Unternehmensbereichen immer
wichtiger.
Doch vergessen wir nicht: Datensammeln ist meist eine
mühsame, akribische und oft auch repetitive Kleinarbeit: Immer
wieder beinahe dieselben Ausschnitte aus Überwachungskameras
anschauen, immmer wieder beinahe identische Logfiles analysieren,
Personaldossiers nachführen -- und immer-immer wieder
dieselben Fragen nach
«Händ-Zi-d'Chunde-Charte?»... Solcher Aufwand soll
belohnt werden! Auch wenn die Jury keine Geld-Preise vergeben kann,
so haben wir doch einen formschönen Betonpokal
bereitgestellt.
- [Luigi und Mario enthüllen den
«Business»-Betonpokal,
der Pokal wird allmählich beleuchtetet.]
Die ersten drei Nominierten in alphabetischer
Reihenfolge:
- [folgende Präsentation unterstützt durch
projizierte Bilder]
[1] - die Firma «Orange Communications» --
Société Anonyme aus Lausanne,
für ihre zielorientierten Personalakten.
In den Personaldossiers des Mobilfunkproviders
«Orange» finden sich Bemerkungen zu Gesundheitszustand,
Schwangerschaft und Gewerkschaftszugehörigkeit der
Angestellten.
Ergänzend sammelte die Firma in einer Mitarbeiterbefragung
zum Thema «Internetsicherheit» in Zusammenarbeit mit
dem «international institute of management in
telecommunications» der Universität Freiburg weitere
Daten zum Wissensstand und zur Einstellung ihrer Angestellten -
unter voller Angabe ihres Vor- und Nachnamens.
Werden alle Daten miteinander verknüpft, so ergibt sich ein
ideales Instrument zur Mitarbeiterplanung und zur persönlichen
Bewertung der Angestellten. Gerade bei sogenannten
«Redimensionierungen» ist es für ein Unternehmen
wichtig zu wissen, wer Nachwuchs erwartet und wen man
entlassen soll. Die Firma «Orange» zeigt hier in
exemplarischer Weise auf, was sie unter «Corporate Social
Responsibility» versteht.
[2] - «SantéSuisse", der Verband der Schweizer
Krankenversicherer,
für das detaillierte Tarifsystem «TARMED».
Krankenkassen wollen wissen, wie es uns geht. Unsere Gesundheit
ist auch ihre Gesundheit, unsere Krankheiten lohnen sich auch
für sie nicht! Kundinnen und Kunden sollen deshalb
gründlich untersucht und durchleucht werden. Dabei soll nicht
bei den Daten gespart werden!
Mit dem einheitlichen Tarifsystem TARMED, welches
«SantéSuisse» auf den 1. Januar 2004
einführen will, werden Krankheiten künftig auf allen
Arztrechnungen detailliert aufgelistet. Durch die Verwendung von
über 10'000 sogenannten ICD-10-Codes wird auch für die
Kundschaft endlich TRANSPARENZ über ihre eigenen Gebrechen und
Leiden geschaffen: Für «Pathologisches Stehlen»
gilt beispielsweise der Code F-63.2, wer an einem «riskanten
Sexualverhalten» leidet, erhält den Code Z-72. Für
jene, die von einem Alligatoren gebissen wurden, gilt hingegen der
Code W-58, und wer Opfer eines Vulkansausbruches wurde erhält
den Code X-35 -- alles geordnet, alles transparent, alles im
Klartext!
TARMED schafft die solide Datenbasis für eine präzise
Risikoselektion. TARMED erlaubt es unseren kranken Kassen, sich
endlich gesund-zu-sanieren.
[3] - die
«Winterthur Versicherung»,
für ihre geheime Kundendatendank
Unter dem Codename «BVM» führte die
Versicherung jahrelang eine geheime Kunden-Datenbank zur
«Bekämpfung von Versicherungsmissbräuchen» --
ein naheliegendes Anliegen für eine Versicherung!
Die «Winterthur» zeigte sich dabei alles andere als
kleinlich: Bereits der Verdacht auf Versicherungsbetrug
genügte ihr für einen Eintrag. Auch falsche Daten wurden
gewissenhaft archivert und bisweilen wurden die Daten
grosszügig an Dritte weitergegeben.
Zu loben ist weiter die Nachhaltigkeit des Vorgehens der
«Winterthur»: Wurde ein Verfahren eingestellt oder
erfolgte ein richterlicher Freispruch, so blieb der Eintrag
gleichwohl bestehen: «Sicher ist sicher!»
Bei allen drei Kandidaten des «Business Award» hebt
die Jury die Tatsache hervor, dass sie sich nie haben beeindrucken
lassen von kleinlichen Einwänden des
[verächtlich:] Eidgenössischen
Datenschutz-Beauftragten. Alle drei betonten, ihre Datensammlungen
dienten lediglich «internen statistischen Zwecken».
Drei Kandidaten, drei Pioniere mit drei ausgeklügelten
Methoden von Effizienzsteigerung und «customer
care»...
- Einschub («Störung»): [Kurier
überbringt d. Moderator einen Zettel]
Aha: ich erhalte gerade eine Meldung von der Regie, dass sich in
Gstaad etwas tut. Wir schalten also zu Gaudenz Baradelli nach
Gstaad.
- [Reporter Gaudenz Baradelli "live" aus Gstaad:
(off)]
- [Reporter, aufgeregt:] Inzwischen tut sich etwas hier in
Gstaad! Der Chefkoch Meili hat soeben einen Anruf erhalten. Was ist
passiert? .... Eine Inspektion!!!! --- Turbulenzen, alle wirbeln
durcheinander (...) Die Herren Inspektöre kommen,
kontrollieren.... spezielle Messgeräte..., nichts bleibt
unbeobachtet.... (...) Uff: Alles in Ordnung, Meili und die
Köche gratulieren sich (...) ein Erinnerungsfoto.
(...) Gaudenz Baradelli für TV-BBA. Ich gebe zurück nach
Bern.
- Übergang: Bild: «GrandHotelBellevue —
BBA-Hotel des Jahres 2003»
nochmals Eurovision / BBA-TV: Signet und Melodie
Tja, meine Damen und Herren: Bei dieser SAUBEREN
Überwachung ist es bestimmt gerechtfertigt, dass das
«Grand Hotel Bellevue» in Gstaad neben dem «Gault
Milleau» auch noch den Titel «Big Brother - Hotel des
Jahres 2003" tragen darf.
«Orange Communications»,
«SantéSuisse» und die
«Winterthur-Versicherung»... Drei Kandidaten, meine
Damen und Herren, drei Pioniere mit drei ausgeklügelten
Methoden von Effizienzsteigerung und «customer care»...
Für welchen hat sich die Jury entschieden?
- [Gehilfen bringen den Bilderrahmen und einen Umschlag;
überreichen dem Moderator den Umschlag...]
- [Musik: ansteigender Trommelwirbel.....] -- [Moderator:
öffnet den Umschlag]
Verehrtes Publikum: Der grosse Schweizer «Big Brother
Award», der BUSINESS-Award geht an.... die Firma
ORANGE
Communications aus Lausanne! --- TUSCH!
- [ Musik: Tusch] -- [Publikum: Applaus]
Begründung: Die Firma ORANGE erweist sich als besonders
gewissenhaft, wenn es darum geht, das Verhalten und die
Einstellungen ihrer Angestellten persönlich und
detailliert zu beurteilen. Festgehalten wird beispielsweise
— Zitat: «Fällt unangenehm auf, kritisiert
häufig und verhält sich destruktiv.» oder
[tadelnd:] «mangelnde Sozialkompetenzen, grobe
Manieren». In anderen Einträgen steht «Delegate of
the Union!» oder: «Schwanger (nicht offiziell)».
ORANGE scheut sich auch nicht vor konkreten Handlungsanweisungen
wie [militärisch:] «Freistellen sofort nach
Mutterschaft» oder: «free him immediately!»
[klagend:] Wie so oft bei innovativen Ansätzen
werden verantwortungsvolle Unternehmen aber von Medien und
Gewerkschaften angerempelt. Der Personalchef Stefan Büschi
wehrt sich mutig: Es sei völlig normal, dass nicht jeder
Mitarbeiter die besten Qualifikationen habe. Zu einzelnen
Einträgen könne er aber leider keine Stellung beziehen.
(Zitat:) «Das kann ich wegen des Datenschutzes nicht
kommentieren.»
Es ist der Jury eine besondere Ehre, der Firma ORANGE den
vierten Schweizer Big Brother Award in der Kategorie
«Business» überreichen zu dürfen.
«Orange» hat unverzüglich auf unsere Einladung
zur Preisverleihung reagiert und liess in einem E-Mail mitteilen --
Zitat: «Wir freuen uns über Ihr Interesse an Orange. Ihr
E-Mail wurde an die zuständige Abteilung weitergeleitet, die
dieses sobald wie möglich bearbeiten wird oder mit Ihnen
Kontakt aufnimmt, sofern dies nötig ist.»
- [Bild. E-Mail von Orange...]
Ist ein Vertreter von ORANGE heute bei uns anwesend?
Herr Büschi, Frau Wenger? Oder vielleicht Herr Wetter?
- [Dann entweder Preisübergabe, oder aber....
Nicht nötig: Wir werden ORANGE die Auszeichnung gerne per
Post zukommen lassen.
- [Applaus] --- [Luigi e Mario ab.]
- [Gans & Gloria: Zweiter Beitrag] circa 3 bis 5
Minuten
==== dritter Block: Kommunikation ====
Meine Damen und Herren, verehrtes Publikum: Wir kommen zur
nächsten Kategorie, dem
«Kommunikations-Award».
- [Luigi e Mario enthüllen den Betonpokal /zunehmende
Beleuchtung.. ]
Auch bei den Big Brother Awards ist das Schrumpfen der
«New economy» festzustellen: Dieses Jahr konnten sich
nur noch vier
Konkurrenten im hart umkämpften Markt der
Tele-Kommunikation behaupten.
Wie SEHR sich die einzelnen Kandidaten um eine Auszeichnung
bemühen, zeigt das Beispiel der Schule für Berufsbildung
Baden (BBB): Nachdem sie im Vorjahr nur einen Trostpreis erhielt,
schickte die BBB dieses Jahr ihre «IT-School» ins
Rennen. Sie soll dafür sorgen, dass die gesamte
Netzwerkkommunikation ihrer Schülerinnen und Schüler
eindeutig identifiziert werden kann.
Ein geschickter Schachzug! Die Jury lässt sich durch
solches Powerplay aber nicht beeinflussen, sondern fällt ihre
Entscheide in grösster Unabhängigkeit. So ist es der
Berufsbildungsschule Baden dieses Jahr nicht gelungen, zu den
ersten drei Nominationen für einen
«Kommunikations-Award» vorzustossen.
Die Nominierten sind, in alphabetischer Reihenfolge:
[1] - Die
Firma ALCATEL in Zürich,
für ihre Blackbox zur Überwachung des
Internet-Verkehrs
Gemäss dem «Bundesgesetz betreffend die
Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs» -- kurz:
BÜPF genannt -- muss jeder «Internet Service
Provider» dem bundesamtlichen «Dienst für
besondere Aufgaben» seit dem 1. April dieses Jahres bei
verschiedenen Überwachungsmethoden behilflich sein. Eine
überaus anspruchsvolle Aufgabe, müssen doch gleichzeitig
sehr viele, ganz unterschiedliche Gespräche aufgezeichnet
werden können!
Mit ihrem «Central Internet Monitoring Tool» legt
die Firma ALCATEL nun eine einfache und kostengünstige
Blackbox-Lösung vor. Bei der Umsetzung der verzwickten Aufgabe
setzt die Firma konsequent auf einen «total
inclusive»-Ansatz: Anstatt grüblerisch und kleinlich nur
die im Gesetz vorgeschriebenen Daten zu analysieren, wird gleich
der gesamte Internetverkehr der Provider ausgewertet.
Positiv ist der Jury zudem das Service-Angebot aufgefallen: Auf
Wunsch betreut ALCATEL die Blackbox gleich selber und
entlastet so die einzelnen Provider von der Aufgabe, selber
durchschauen zu müssen, was in der Blackbox eigentlich
geschieht.
[2] - Die Firma DDLX-INFORMATICS aus Zug,
für die von ihr angebotene «Recorder Box»
DDLX brilliert durch Einfachheit: Die «Recorder Box»
ist ein Gerät in der Grösse einer Streichholzschachtel,
das in wenigen Handgriffen mit einem Telefonanschluss verbunden
werden kann. Dadurch lassen sich alle geführten
Telefongespräche registrieren. Besonders nützlich ist die
«Recorder Box» beispielsweise zur Überwachung von
Ehe- und anderen Partnern, von Kindern oder von Mitarbeitenden.
Die «Recorder Box» ist diskret, einfach und
günstig: Das Gerät kostet lediglich 43 Franken 50! Denn
es entspricht der Firmen-Philosophie von «DDlx», dass
es auch für SIE, meine Damen und Herren, erschwinglich sein
muss, jeden Arbeitsplatz mit der neuesten Technologie
auszustatten.
[3] - Herr Jean TRECCANI, stellvertretender
Untersuchungsrichter des Kantons Waadt,
für seine Anordnung einer Mobiltelefon-Rasterfahndung
Nachdem es im Sommer 2002 in der Nähe von Lausanne zu einem
bewaffneten Überfall gekommen war, handelte Maître
Treccani ohne zu zögern: Er ordnete den bundesamtlichen
«Dienst für Besondere Aufgaben» an, bei allen drei
Mobiltelefonanbietern eine Liste von Verdächtigen
einzufordern. Verdächtig war demnach, wer zur Tatzeit in der
Nähe des Tatortes mobil telefonierte. Eine für die
Schweiz neue Methode der sogenannten
«Schleppnetzfahndung», nach dem Motto «Wer
kommuniziert, wird registriert.»
Laut eigenen Aussagen will Treccani mit seinem Vorgehen einen
Präzendenzfall schaffen. Mutig stellt er sich allen Kritiken
entgegen und kämpft dafür -- unserem Arnold Winkelried
nicht unähnlich -- dass den Stafverfolgern Türen
geöffnet und neue Perspektiven ermöglicht werden. Eine
wahre Pioniertat!
Drei Kandidaten mit drei innovativen
Schnüffel-Ansätzen: Wer ist die grösste
KOMMUNIKATIONS-Schnüffelratte des Jahres 2003?
- [Gehilfen bringen den Bilderrahmen und ein Handy;
überreichen dem Moderator das Handy...]
- [Musik: ansteigender Trommelwirbel.....]
- [Moderator: telefoniert mit dem Handy....]
Meine Damen und Herren: Der grosse Schweizer «Big
Brother Award», der KOMMUNIKATIONS-Award geht an.... le Juge
d'instruction suppléant, Monsieur Jean TRECCANI! ---
TUSCH!
- [ Musik: Tusch -- Applaus -- ]
Begründung: Maître Treccani scheut keinen Aufwand, um
mit einem zunächst völlig «blinden» Verfahren
hunderte oder gar tausende Personen unter die
untersuchungsrichterliche Lupe zu nehmen.
Besonders lobt die Jury Maître Treccanis selbstlosen Mut,
auch Widerstände in Kauf zu nehmen: Alle drei
Mobiltelefon-Betreiber rekurrierten nämlich gegen seine
Anordnung. In erster Instanz wurden ihre Einsprachen aber glattweg
abgewiesen. Die Provider haben den Fall inzwischen ans
Bundesgericht weitergezogen -- wo Maître Treccani in der
Zwischenzeit in den Rang eines stellvertretenden
eidgenössischen Ersatz-Untersuchungsrichters gewählt
wurde.
Es ist der Jury eine besondere Ehre, Herrn Treccani den vierten
Schweizer Big Brother Award in der Kategorie
«Kommunikation» überreichen zu dürfen.
Ist Maître Treccani heute bei uns anwesend? ....
.... Sein Stellvertreter? .... Sein Ersatz-Stellvertreter?
- [Dann entweder Preisübergabe, oder aber....]
Wir werden Herrn Treccani die Auszeichnung gerne über einen
geeigneten Kanal zukommen lassen.
- -- [Applaus] --- [Luigi e Mario ab.]
- [Gans & Gloria --- Dritter Beitrag] circa 3 bis 5
Minuten
vierter Block: LEBENSWERK AWARD
Wir kommen zur vierten Kategorie, der Königs-Disziplin: Der
LEBENSWERK-AWARD: Nur wer sich in seinem ganzen Leben
HARTNÄCKIG für besondere Schnüffeltaten verdient
gemacht hat, kann ihn erhalten. Nur wer sich nicht hat beeindrucken
lassen von [verächtlich] parlamentarischen
Vorstössen, von besorgten BürgerInnen oder von
Datenschutzbeamten.
- [Luigi enthüllet den
«Lebenswerk»-Betonpokal
allmählich zunehmende Beleuchtung des Pokals]
ZWEI
Kandidaten lieferten sich bis zum Schluss ein
Kopf-an-Kopf-Rennen, Schnüffelnase an
Schnüffelnase... In alphabetischer Reihenfolge:
[1] - Herr
Hans Ulrich HELFER aus Zürich
Der 52-jährige Hans-Ulrich Helfer ist ein «alter
Kämpfer» im Bereich der Bespitzelung. Nach ersten
Lehrjahren beim berüchtigten Staatswächter-Kommissariat
«KK III» der Zürcher Stadtpolizei --
[konspirativ:] unter anderem auch als verdeckter Ermittler
-- und als «informeller Mitarbeiter» in Ernst Cinceras
sagenumwobenen Schnüffelarchiv baute er ab 1983 mit der Firma
«Presdok AG» einen eigenen einschlägigen
«Dokumentationsdienst» auf.
Heute ist Helfer unter anderem als Herausgeber von
Fachpublikationen und als Berater von Konzernen und
Persönlichkeiten tätig. In seiner Kundenliste finden sich
neben der Schreinerei Paul Kleger und der Bäckerei Honegger
aus Bern etwa die Sicherheits-Holding KABA und die Freimaurerloge
«Alpina».
Ohne Zweifel: Hans Ulrich Helfer ist mittlerweile zu einem
eigentlichen «Sicherheitsprofi» geworden!
[2] - Herr
Ständerat Dick MARTY aus Lugano
Der zweite Kandidat für den begehrten
«Lebenswerk-Award» ist nominiert für seinen
mutigen Kampf gegen Terrorismus und Geldwäscherei, den er
sowohl von Lugano als auch von Bern aus führt. Besonders
hervorzuheben ist seine unermüdlich vorgetragene Forderung
nach einer Registrierungspflicht für Prepaid-Handy-Karten. Die
Gefährlichkeit der vorausbezahlten SIM-Karten besteht darin,
dass sie ANONYME Telefongespräche erlauben. Erschwerend kommt
hinzu, dass diese Karten sehr beliebt sind: Alleine bei der
Swisscom sind mehr als 1,2 Millionen Prepaid-Karten im Umlauf. Rund
ein Drittel der Mobiltelefon-Kundschaft telefoniert mit solchen
Karten - vermutlich also auch jeder dritte Terrorist!
In der vergangenen Wintersession wurden Martys Ermahnungen
endlich ernst genommen: In den Verhandlungen rund um das
«Uno-Übereinkommen gegen Terrorismusfinanzierung und
Bombenterrorismus» stimmte der Ständerat seinem Antrag
mit 18 zu 16 Stimmen zu. Ausschlaggebend für den Erfolg war
nicht zuletzt Martys Argumentation, dass die Privatsphäre
durch die Registrierung in keiner Weise tangiert werde, denn die
Daten seien ausschliesslich der Justiz zugänglich.
Verehrtes Publikum: Zwei langjährige Pioniere mit
bewährten Strategien bewerben sich um einen
«Lebenswerk-Award»: Für welchen hat sich die Jury
entschieden?
- [Schnüffli schaut hinter dem Vorhang hervor:
«pssst!» --
Moderator nimmt den Umschlag vom Schnüffli
entgegen...]
- [Musik:ansteigender Trommelwirbel....]
Meine Damen und Herren: Der grosse Schweizer «Big
Brother Award», der LEBENSWERK-Award geht an.... Herrn Hans
Ulrich HELFER! --- TUSCH!
- [ Musik: Tusch] --- [Publikum: Applaus ... ]
Begründung: Helfer blickt auf ein vielfältiges, hartes
Spitzel-Leben zurück. Besonders in den Anfangszeiten, als die
verdeckte Ermittlung noch nicht in gleichem Masse unterstützt
wurde wie heute, erwiesen sich die Anforderungen bisweilen als
beinahe unlösbar, wie Helfer der Zeitschrift «Schweizer
Familie» 1995 anvertraute, Zitat: «Viele meiner
Legenden musste ich selber bauen. Ich musste mir die Ausweise
selber besorgen, den Namen selber ausdenken. Ich musste mir eine
Wohnung suchen, einen Arbeitgeber finden, der mich nur zum Schein
anstellte, (musste) mir ein Beziehungsnetz aufbauen und mich dann
selber in die zu kontrollierende kriminelle Organisation
einschleusen...»
In seinem beschwerlichen, von Stolpersteinen gepflasterten Leben
hat sich Helfer stets lernfähig gezeigt. Er hat es verstanden,
sich dem Wandel der Zeiten anzupassen. Heute ortet Helfer unseren
Hauptfeind nicht mehr in Moskau, sondern im - wie er selber
schreibt: «islamitischen Terrorismus» und in der
Anti-Globalisierungsbewegung. Die Herausforderungen der heutigen
Zeit seien der so genannte «Kampf der Kulturen», die
Korruption, und der Terrorismus.
Helfer kandidierte bereits mehrmals für einen «Big
Brother Award» und zeigte sich letztes Jahr sehr
enttäuscht, dass es hinter dem ominösen «Club de
Berne» nur zu einem Trostpreis reichte. Dieses Jahr aber ist
es so weit: Die Auszeichnung geht an Hans-Ulrich Helfer!!
- [evtl. Bild: E-Mail-Protest Helfer Oktober 2002]
Herr Helfer hat sich -- wie übrigens auch Dick Marty -- per
E-Mail für die Einladung an die Preisverleihung bedankt.
Aufgrund beruflicher Verpflichtungen sei er leider an einer
persönlichen Teilnahme verhindert.
Wir werden Herrn Helfer die Auszeichnung über einen
geeigneten Kanal an die Zürcher Mimosenstrasse vermitteln.
- -- [evtl. Applaus] --- Gehilfe ab.
- [Gans & Gloria -- vierter Beitrag] circa 3 bis 5
Minuten
=== fünfter Block: WINKELRIED-AWARD
===
Wir kommen zur fünften und letzten Kategorie, zum
«Winkelried-Award» für besonders lobenswerten
Widerstand GEGEN Überwachung und Kontrolle.
Zur Auswahl standen drei Kandidatinnen und Kandidaten, die von der Jury beinahe gleich viele
Punkte erhielten. Als grosse Überraschung werden deshalb SIE,
meine Damen und Herren, heute erstmals die Gelegenheit erhalten,
die allerbeste Nomination auszuwählen.
Die Preise für verdienstvollen Widerstand gegen
Überwachung und Kontrolle weden überbracht vom
Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel von Arnold Winkelried! --- TUSCH!
- [Musik: Tusch] --- [Auftritt Urenkel v. Winkelried mit
Betonpokal]
[1] - Rebekka
Salomé Zollinger aus Herrliberg
Frau Zollinger wurde aufgrund eines Schleudertraumas in der
heute bereits erwähnten geheimen BVM-Datenbank der
«Winterthur»-Versicherung registriert. Sie wehrte sich
gegen die Fichierung, wandte sich an die Presse und zeigte
überdies auf, dass die Datensammlung falsche Angaben und
tendenziöse Verdachtsmomente enthält.
Erst das Insistieren der registrierten Rebekka Salomé
Zollinger auf ihr Auskunftsrecht liess die geheime Datensammlung
der Winterthur-Versicherung schliesslich
auffliegen.
[2] - Annina Rüst, Medienkünstlerin aus
Zürich
Frau Rüst ist für einen Internet-basierten
Verschwörungs-Generator nominiert: Das
Computerprogramm «SuperVillainizer» schafft virtuelle
Bösewichte, die sich über echte E-Mail-Konten gegenseitig
subversive Mails zuschicken und die
Internet-Überwachungsbehörden verwirren sollen.
Bereits wurden von mehr als 500 Bösewichten mehrere 10'000
Mails verschickt. Wie die SonntagsZeitung berichtete, sind die
meisten Verschwörer männlich und stammen aus
Afghanistan...
[3] - Daniel Costantino, Militärdienstverweigerer und
Performer aus Bern
Herr Costantino wurde nominiert für seine Zivilcourage, den
umfangreichen Fragebogen der diesjährigen Rekrutenbefragung
des VBS unter der Adresse www.schandfleck.ch im Internet zu
veröffentlichen.
Aufgrund der Proteste sah sich das VBS in der Folge gezwungen,
einige Fragen aus dem Fragebogen zu entfernen. In einem Interview
betonte Costantino aber - Zitat: «Der GANZE Test ist eine
Zumutung, nicht nur einzelne Themen!»
Meine Damen und Herren: Der Einsatz der drei Winkelriede
gefällt der Jury: Die Beispiele von Rebekka Salome
Zollinger, von Annina Rüst und von Daniel Costantino zeigen,
dass es für Widerstand dreierlei braucht: Ausdauer,
Zivilcourage und Humor!
Doch welche der drei Qualitäten ist höher zu
gewichten? Wertes Publikum: bei der Bewertung durch die Jury
erhielten alle drei Nominierten beinahe gleich viele Punkte. Es
liegt deshalb heute an Ihnen, die Hauptsiegerin oder den
Hauptsieger in der Kategorie «Winkelried Award»
auszuwählen!
Die technischen Inspekteure des Dackstocks werden Ihre
Unterstützung für eine der drei Nominationen mit
ausgeklügelten akustischen Messinstrumenten
überprüfen, kontrollieren und registrieren.
Wertes Publikum: Es kommt also auf Ihre
Protestlautstärke an! Bitte bezeugen Sie Ihre
Unterstützung für eine oder mehrere
«Winkelried»-Nominationen mit einem möglichst
lauten Applaus!
In alphabetischer Reihenfolge:
Erstens: Die Veröffentlichung des VBS-Fragebogens
auf www.schandfleck.ch: Wer ist der Meinung, dass Daniel
Costantino den Haupt-Winkelried-Preis des Jahres 2003 verdient
hat? --- Bitte Applaus JETZT!
- [Tonregie: Notiert Raumlautstärke mit
dB-Meter]
Zweitens: Der Internet-Verschwörungsgenerator
«Super-Villainizer». Wer ist der Meinung, dass
Annina Rüst den Haupt-Winkelried-Preis des Jahres 2003
verdient hat? Bitte Applaus JETZT!
- [Tonregie: Notiert Raumlautstärke mit
dB-Meter]
Drittens: Das Aufdecken der geheimen BVM-Datenbank der
«Winterthur»-Versicherung: Wer ist der Meinung, dass
Rebekka Salome Zollinger den Haupt-Winkelried-Preis des
Jahres 2003 verdient hat? Bitte Applaus JETZT!
- [Tonregie: Notiert Raumlautstärke mit
dB-Meter]
Vielen Dank! Ich darf nun Arnold Winkelried Junior um die
Resultate bitten.
- [Urenkel v. Winkelried begibt sich zur Tonregie, holt
Umschlag und bringt ihn zum Moderator.]
- [Musik: ansteigender Trommelwirbel....]
Verehrtes Publikum: Der Hauptpreis der diesjährigen
«Big Brother Awards» in der einzigen Positiv-Kategorie,
der Haupt-«Winkelried-Award» geht an...[Name]! ---
TUSCH!
- [ Musik: Tusch] --- [Publikum: Applaus...] ---
[Moderator:]
Ist .... [Name d. Sieger/in] heute bei uns anwesend?
Sind die beiden weiteren Gewinner/innen heute bei uns
anwesend?
... Frau Zollinger? Frau Rüst? Herr Costantino?
- [Gehilfen: bringen und überreichen die
"Winkelriedpreis/e" ]
- -- [evtl. kurze Rede Gewinner/IN, max. ca. 5
Minuten]
Wir werden den Siegerinnen / dem Sieger die Auszeichnung --
süsse «Spitzelbuben... » -- wirklich SEHR
GERNE über einen nicht überwachten Kanal zukommen
lassen.
SCHLUSS
- [Projektion Logo Schnüffelratte]
Meine sehr verehrten Damen und Herren: Damit sind wir am Ende
unserer Preisverleihung angekommen. Wertes Publikum: Zum VIERTEN
Mal konnten in der Schweiz «Big Brother Awards»
für grosse Verdienste zur Beschnüffelung und
Überwachung der Bevölkerung verliehen werden.
Grosse Taten, grosse Helden, grosse Sieger!
Dem VBS, der Firma ORANGE, Monsieur Treccani und dem umtriebigen
Herrn Helfer -- aber auch dem «Grand Hotel Bellevue» in
Gstaad -- ihnen allen gebührt die herausragende Ehre, die
Überwachungsgesellschaft im vergangenen Jahr mit besonders
grossem Elan und lobenswertem Einsatz gefördert zu haben.
Wer bei der Preisverleihung leer ausgegangen ist, kann sich
bereits heute für die nächsten AWARDS nominieren
lassen.
Gerade die Beispiele der bereits mehrmals nominierten
Kandidaten, aber auch jene der drei «Winkelriede»
zeigen: Innovation und Hartnäckigkeit führen zum
Ziel!
Für ihre Einsätze und für ihr Engagement an
diesem denkwürdigen Anlass danken wir
-- der
Jury...
- [Musik: kurzer Tusch] // Applaus
-- Herrn Mario
Flückiger ...
- [Musik: kurzer Tusch] // Applaus
-- dem Küchenpersonal des "Grand Hotel Bellvue" in
Gstaad,...
- [Musik: kurzer Tusch] // Applaus
-- dem Team des
«Dachstocks» und der Reitschule....
- [Musik: kurzer Tusch] // Applaus
--- Wir danken IHNEN, sehr verehrtes Publikum, für Ihre
Aufmerksamkeit.
-- ... und wir danken natürlich unserem Duo Gans & Gloria!
- [Musik: längerer Tusch] bzw. fünfter
Beitrag
[OK: Nachspann / Verabschiedung]
Zusätzlich danken wir insbesondere auch unserem Moderator
Ernst Jenni.
... unseren Sponsorinnen und Sponsoren: Der Roten Fabrik
Zürich, dem Dachstock und der Reitschule Bern, dem Verein
trash.net und den Gewerkschaften
//syndikat und comedia.
- [Bild: Logos SponsorInnen ...]
... und allen Leuten, die im Hintergrund zum Gelingen des
Anlasses beigetragen haben.
Nach einer Umbaupause spielen später hier im Saal
L'Enfance Rouge.
Zuletzt einige Hinweise in eigener Sache: Informationen zu allen
52
Nominierten der diesjährigen «Big Brother
Awards» und die Laudatio finden Sie im Internet unter
www.bigbrotherawards.ch.
Wer sich das Jahr über gegen Überwachung schützen
will, dem/der können wir unsere T-Shirts empfehlen
(zeigen!), sowie unsere Kleber.
Und: Die Auschreibung für die «Big Brother Awards
2004» ist eröffnet! Formulare finden sich am Ausgang
oder im Internet.
- [Bild: Logo Schnüffli: «Nicht lamentieren,
nominieren!»]
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
[Gans:] Moment noch! An die Schnüffler hier im Saal: Unser
letztes Lied handelt davon, was passieren kann / wird....
- [Musik Letzter Beitrag:
«Stroganoff»....]
(...)
- [Publikum: Applaus..... ]
(...)
- [alle beteiligten: Schlussauftritt auf der Bühne....
]
(...)
- [Publikum: Applaus..... ]
(...)
- [einige Momente Ruhe, dann: Dritter Videospot]
/.
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