(redigiert, urspruenglich Aufruf der "Chile Freundschaftsgesellschaft Salvador Allende e.V.", verbreitet ueber , 4. Maerz 2003) ========= Unausloeschliches Datum: 11. September 1973. Ueber das freie Chile bricht die Nacht faschistischer Barbarei herein... Ein Volk wird in Knechtschaft zurueckgeworfen, das einen geschichtlichen Augenblick lang den befreienden Hauch menschenwuerdigen Lebens gespuert hat... (aus: Chile - Ein Schwarzbuch, 1974). 2003 jaehrt sich zum 30. Mal der Staatstreich, der dem Projekt des Volkes, das unser Genosse Salvador Allende mit der Unidad Popular anfuehrte, ein Ende machen wollte. Hier und heute bekraeftigen wir, dass die Ziele und Massnahmen der Regierung Allendes heute, im Wesentlichen heute noch gerechtfertigt sind: z.B. Nationalisierung und Verteidigung unseres Staatsbesitzes, Teilhabe der arbeitenden Menschen und ihrer Organisationen an den Entscheidungen der produktiven Prozesse, bessere Verteilung der Einkuenfte aller, eine gesicherte Erziehung und Gesundheit durch den Staat oder ein halber Liter Milch pro Tag fuer alle Kinder Chiles usw. Die Geschichte ins Blickfeld zu ruecken ist nicht ein Anflug von Nostalgie. Dieser Rueckblick ist durchaus ein ehrhaftes, legitimes Gefuehl, wenn er nicht den Blick fuer die Zukunft truebt sondern ihn erhellt. Diese Geschichte ist die Forderung nach Zukunft, weil Allende nicht nur grosser politischer Fuehrer war, sondern auch soziale Bewegungen geschaffen hat. Es gibt heute erhebliche positive Resonanz auf die Errungenschaften der Unidad Popular, die in der Person Allendes vereinigt waren. Deswegen und darueber hinaus verantworten wir ohne Nachsicht unsere Fehler. Anders als andere fuehlen wir uns sehr wohl als stolze Erben eines Werkes und einer Regierung deren Teilhaber wir waren. Ob bei Erfolgen oder bei Fehlern: immer war es unser Ziel, den Interessen der arbeitenden Menschen und des Volkes zu dienen. Die Diktatur Pinochets war ohne Zweifel ein korruptes Regime. Sie hinterliess ein gigantisches Wirtschaftspotential in den Haenden der Machthaber und Unterstuetzer der Diktatur ein gigantisches Wirtschaftspotential. Ihre Ressource war die stueckweise Aneignung der Mehrheit der Staatsunternehmen. Grossteile des Staatsbesitzes wurde in die Haende von Zivilisten und Militaers ueberschrieben, was der Diktatur bei der Installation des neoliberalen Systems in Chile diente. Die Konzeption der Politik als oeffentliche und grosszuegige Dienstleistung steht hingegen fuer das Leben und den Tod Allendes. Dieses Politikkonzept wiederzuerlangen muss unsere Aufgabe sein, sonst liesse man den Machthabern einer ungerechten Gesellschaft freien Lauf. Hier liegt auch der Sinn dieser Veranstaltung: das Bildnis Salvador Allendes und seiner Mitstreiter wieder zu entdecken. Sein Gedaechtnis ist das Abbild der Geschichte jener Zeit. Die Erinnerung dieses Jahrestages darf sich nicht verwandeln in ein blosses Erinnern an Maertyrer. Es geht um das historische Erinnern, eng verbunden mit dem aktuellen Kampf um die Wiedererlangung einer tatsaechlichen fortschrittlichen Alternative. Fuer uns ist offensichtlich, dass Allende eine Persoenlichkeit war, die nationale und parteiliche Grenzen ueberschreitet. Diese Veranstaltung ist eine offene Ehrung, weit entfernt von jeglichem Streit oder Absicht der Inbesitznahme. Wir empfinden es als Ehrung, dass der Name Allendes unserer Veranstaltung beiwohnt. Diese Veranstaltung wird den Hoehepunkt einer Reihe von Veranstaltungen zum Gedenken an Allende und seine Mitstreiter bilden. (...) Heute gibt es Menschen in Chile, die die verbrecherische Rolle der Streitkraefte Chiles waehrend der Diktatur Pinochets bestreiten. In ihren Kreisen wird nur noch von einer Militaerregierung statt von der Militaerdiktatur gesprochen. Alle diese die historische Wahrheit verfaelschenden Aeusserungen entkraeften nicht die Tatsache, dass es sich in Chile sehr wohl um Staatsterrorismus handelte, der siebzehn Jahre lang Menschenrechtsverbrechen verantwortete. Um eine Fortfuehrung dieser Geschichtsverfaelschung zu verhindern, muss die Justiz endlich ihrer Aufgabe nachkommen und die Wahrheit und die Gerechtigkeit durchsetzen, indem der Straflosigkeit endlich ein Ende gesetzt wird. Den Worten muessen Taten folgen: das Gesetz zur Selbstamnestie muss annulliert werden und das Militaer muss Informationen ueber das Verbleiben der in der Diktatur Pinochets Verschwundenen, Verhafteten und der aus politischen Gruenden Ermordeten geben. Damit koennte der Leidensweg der Familienangehoerigen enden, was eine der notwendigen Voraussetzungen zur Wiederherstellung einer wirklichen Demokratie waere.