frühlingsüberwachen 2004
Veranstaltungsreihe zur Überwachung
Die Reihe frühlingsüberwachen befasst sich in
sechs Veranstaltungen mit dem Thema der zunehmenden Überwachung
und Kontrolle. Ähnlich wie in den Vorjahren (2002 und 2003) wird zum einen anhand konkreter
Beispiele über verschiedene Methoden der Überwachung
informiert. Zum anderen diskutieren und
debattieren wir über die gesellschaftliche Bedeutung und
über mögliche Auswirkungen der Überwachung.
Neben vier Vorträgen (1x dienstags und 3x mittwochs)
führen wir am Ostermontag eine öffentliche Inspektion von
Überwachungskameras im Zürcher Langstrassenquartier durch
und am 25. April präsentieren und diskutieren wir ironisch
inspirierte Widerstandsformen gegen Kontrolle und
Überwachung.
frühlingsüberwachen steht in
einem engen Zusammenhang mit der Preisverleihung der Schweizer
Big Brother Awards:
Alljährlich im Herbst werden Betonpokale für besonders
fleissige Schnüffelratten verliehen. Die Nomination erfolgt durch
das Publikum (weitere Infos: http://www.bigbrotherawards.ch/).
Die Veranstaltungsreihe wird organisiert von der Roten Fabrik,
der Stiftung Archiv Schnüffelstaat Schweiz (ASS),
der Swiss Internet User Group (SIUG)
und dem Verein trash.net.
Programm
Sie erhalten diese Informationen auch als
Faltblatt und Programm im PDF-Format.
Dienstag, 6. April 2004 um 20:15 Uhr
Im «Bogen 13» an der Viaduktstrasse, unter den Gleisen
des Bahnviadukts, gegenüber der KVA Josefstrasse,
Zürich-5
Die neue Stadt: Schön, sauber, sicher
Lesung von Elisabeth Blum (Zürich)
«Elisabeth Blums neues Buch folgt dem Siegeszug des
Kultbegriffs Sicherheit von der Stadt bis in die geheimsten Winkel
menschlichen Fühlens. Die gezielte Herstellung von
Unsicherheitsszenarien überall Überwachungskameras
und Sicherheitspersonal soll den Beweis für die angeblich
zunehmende Gefährlichkeit der Stadt liefern. Als
«gefährlich» gelten inzwischen alle Formen
abweichenden bzw. auffallenden Verhaltens sie werden
beobachtet, registriert, verfolgt, kriminalisiert und ausgegrenzt.
Sauber ist die Stadt erst, wo Territorien privatisiert und
Zugänge reguliert werden. Kameras sind Installationen einer
«Besserungsmaschine», der es um die Disziplinierung der
Stadtgesellschaft geht.
Elisabeth Blum thematisiert nicht nur jene rhetorischen
Verdrehungen, die unentwegt zur Verschiebung der Bedeutung von
Begriffen führen, sie beobachtet, dass totalitäre
Praktiken sich wie selbstverständlich in Gesellschaften
einzunisten beginnen, die sich dennoch als demokratische
verstehen.»
Elisabeth Blum (Zürich) ist Architektin und Autorin und
unterrichtet an der HGKZ. 2003 erschien von ihr der Essay
«Schöne neue Stadt. Wie der Sicherheitswahn die urbane
Welt diszipliniert» (Bauwelt Fundamente Nr. 128, beim
Birkhäuser-Verlag).
Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem
«stadt.labor» im «Bogen 13».
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Samstag, 10. April 2003, Treffpunkt 14 Uhr
Beim Denkmal der Arbeiterfamilie am Helvetiaplatz, ZH-4
(anschliessend Diskussion 16-18 Uhr)
2. Aussersihler Osterkamerasuchen
Digitale Videokameras und Aufzeichnungsgeräte werden immer
günstiger und finden zunehmende Verbreitung. Nachdem wir in
früheren Jahren bereits die Kameras im Zürcher
Hauptbahnhof inspizierten, besuchen wir nun das Gebiet um die
Zürcher Langstrasse. Auf unserem zweistündigen Rundgang
werden wir von QuartierbewohnerInnen und von KameraforscherInnen
begleitet. Anhand konkreter Beispiele stellen wir verschiedene Typen
von Kameras vor und fragen nach deren Zweck und Funktion: Wozu
werden Kameras eingesetzt? Welche Hoffnungen und Ängste stehen
als Motive dahinter? Können die Kameras den beabsichtigten
Zweck überhaupt erfüllen? Wie ist der Erfolg der
Kameraüberwachung in anderen Städten?
Nach dem knapp zweistündigen Rundgang findet von 16 bis 18
Uhr eine öffentliche Diskussion statt, und als besondere
Attraktion wird die neue BBA-Stadtkamerakarte
«ZH-04» vorgestellt (Bestellungen an
+<info@bigbrotherawards.ch>).
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Mittwoch, 14. April 2004, 19.30
im «Clubraum» der Roten Fabrik
RFID - ein Chip für jeden Joghurtbecher
Vortrag von Rena Tangens, Bielefeld
RFIDs (Radio Frequency Identity-Tags) sind kleine Chips, die
Daten speichern, welche sich auf eine Distanz von bis zu mehreren
Metern unbemerkt per Funk auslesen lassen: Eine Antenne sendet einen
Impuls und die Chips senden eine eindeutige Nummer zurück.
RFIDs lassen sich in Kleider verstecken oder als berührungslose
Zugtickets verwenden und sollen dereinst den herkömmlichen
Strichcode auf Produkten ersetzen. So hätte dann beispielsweise
jeder Joghurtbecher eine weltweit eindeutige Nummer.
In Deutschland führt die Kaufhausgruppe Metro in ihrem
«Future Store» in Rheinberg den weltweit ersten grossen
Feldversuch mit RFIDs durch. Dafür erhielt der Supermarkt im
letzten Herbst einen deutschen «Big Brother Award». Rena
Tangens ist Mit-Organisatorin dieser «Preise für
Datenkraken». Am 1. Februar 2004 besuchte sie mit
KonsumentenschützerInnen den «Future Store» und
musste feststellen, dass die Schnüffelchips selbst beim
Verlassen des Ladens ihre eindeutige Nummer behalten und dass sogar
die individuelle «Payback»-Kundenkarte der Metro einen
RFID-chip enthält. Mit einer solchen Anordnung lassen sich
Angaben über Käufe auch individuell zuweisen und
umfangreiche «customer profiles» erstellen. Angesichts
der wachsenden Proteste zog die Metro AG die RFID-bestückten
Kundenkarten inzwischen zurück: Der Feldversuch gerät
allmählich ausser Kontrolle...
Rena Tangens (Bielefeld) ist Künstlerin und Mitbegründerin
des Vereins FoeBUD, der zur Zeit an der Entwicklung eines Gerätes
zum Entdecken von RFIDs und von RFID-Scannern arbeitet.
(http://www.foebud.org/rfid/)
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Mittwoch, 21. April 2004, 19.30
Im Clubraum Roten Fabrik
TCPA - Wem gehört Dein Computer?
Vortrag von Andreas Bogk (CCC, Berlin)
Die «Trusted Computing Platform Alliance» (TCPA, neu:
TCG) ist ein Zusammenschluss von 200 grossen Computerherstellern.
Ihr deklariertes Ziel besteht darin, PCs und andere elektronische
Geräte mit einem zusätzlichen Sicherheitschip namens
«Trusted Computer Module» (TPM) auszurüsten. Die
Pläne sind umstritten: Zum einen kann das TPM den NutzerInnen
helfen, die eigenen Daten sicherer zu verschlüsseln sowie zu
kontrollieren, dass keine unerwünschte fremde Daten in den
Computer gelangen (z.Bsp. Viren). KritikerInnen befürchten
hingegen, dass NutzerInnen dereinst anhand einer einmaligen
Seriennummer identifiziert werden können. Eine zentrale Frage
ist zudem, wer die für das System notwendigen Zertifikate
vergibt und kontrolliert: Eine einzelne Firma? Das TCPA-Konsortium?
Eine übergeordnete Kontrollinstanz? Wem sollen wir beim
«trusted computing» vertrauen?
Die Bemühungen der TCPA stehen in einem engen Zusammenhang
mit dem «Digital Rights Management» (DRM): Grosse Firmen
möchten, dass bestimmte Programme oder Daten nur auf bestimmten
Computern oder nur während einer befristeten Nutzungsphase
funktionieren. Sie sind deshalb interessiert an einem
Kontrollzugriff auf den Computer. So entwickelt Microsoft
«Palladium» (neu: NGSCB) als ergänzende Software zu
TPM und behält sich in ihren Lizenzvereinbarungen das Recht
vor, ungefragt «automatische Updates» zu installieren.
Entsprechend können mit TPM bestimmte Programme oder Daten
gesperrt werden, z.Bsp. Konkurrenzprodukte. Wie sicher ist die mit
TPM geschaffene «Sicherheit»? Für wen? Wer hat
Zugriff auf die «Black Box» Computer?
Andreas Bogk (Berlin) ist Hacker und Vorstandmitglied des
«Chaos Computer Clubs» (ccc) (http://www.ccc.de/digital-rights/).
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Sonntag, 25. April 2004, 14 bis 18 Uhr
Im Clubraum der Roten Fabrik
Vom Aktionsgenerator zur Ideenschleuder
Präsentation, Diskussion, Workshops
Verwirren, verfremden, verstören: Es gibt unzählige
Möglichkeiten, die Methoden der Überwachung in ironischer
Weise in Frage zu stellen. An diesem Nachmittag werden zunächst
einige bereits erprobte Aktionsformen vorgestellt. Im Zentrum stehen
Vorgehen, die parallel zu den gängigen Mustern der politischen
Aufklärung neue Ausdrucksformen suchen: Performances, Parodien
und Prozessoren aller Art.
In einem zweiten Teil bieten verschiedene Workshops Gelegenheit,
eigene überwachungskritische Ideen und Strategien der
Subversion vorzustellen, zu entwickeln und zu diskutieren. (Bitte
kurze Beschreibung an: aktionsgenerator@bigbrotherawards.ch)
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Mittwoch, 28. April 2004, 19.30
Im Clubraum der Roten Fabrik
Regeln der polizeilichen Überwachungskunst
Vortrag von Detlef Nogala (Hamburg / Freiburg D)
Die Polizei rüstet auf: DNA-Analysen, biometrische
Gesichtserkennung, die Überwachung der Telekommunikation und
das versteckte Abhören von Privaträumen gehören
vielerorts zur Alltagspraxis von Fahndung und Überführung.
Aus solchem Material liesse sich ohne weiteres ein
Schreckensszenario ausbreiten. Doch der Kriminologe Detlef Nogala
setzt bei grundsätzlichen Fragen zu den Veränderungen
sozialer Kontrolltechnologien an: Was bedeutet die Ablösung der
Fahndungsbücher durch ein Computernetz oder der neugierigen
Nachbarn durch Überwachungskameras?
Technik ist ein Machtverstärker, sie erweitert Informations-
und Handlungsmacht, sie verstärkt soziale Kontrolle und
verändert sie dabei auch: Wenn Techniken in bestehende Routinen
eingebunden werden, so geschieht dies meist nicht ohne
Reibungsverluste. Technik schafft nicht nur neue strategische und
taktische Optionen, sondern auch neue Anforderungen und neue
Zwänge. Die Technisierung der Polizei hat immer neuere und und
komplexere Kontrollarrangements zur Folge. Der gesellschaftliche
Wandel des «Policings» betrifft allerdings nicht nur die
Polizei: Im Fokus der Betrachung der sozialen Kontrolle steht auch
eine Überwachungsgesellschaft, die Forderungen stellt und nach
«mehr Sicherheit!» ruft.
Detlef Nogala (Hamburg) ist promovierter Kriminologe und
arbeitet zur Zeit am Max-Plank-Institut für internationales und
ausländisches Strafrecht in Freiburg (D). Er schreibt
gelegentlich in «CILIP - Bürgerrechte und
Polizei».
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