Nominiert: Jürg Scherrer, Polizeidirektor Biel-Bienne
Kategorie: Lebenswerk
Dafür wurde er bereits im Jahr 2002 für einen Big Brother Award in der Kategorie "Staat" nominiert - leider ohne Erfolg.
Der Weg zu einer sicheren Stadt erwies sich allerdings als das Gegenteil von asphaltiert: In einem ersten Pilotversuch liess Scherrer Anfang 2002 auf dem Schlauchturm der Feuerwehr heimlich eine Kamera installieren, die den Parkplatz (und das Autonome Jugendzentrum) vor dem Bieler Kongresshaus überwachte. Mit grossem Erfolg, betont Scherrer heute: "Es gab seither keinen einzigen Fall von Abfall-Tourismus mehr." Leider bestand für den Pilotversuch aber keine gesetzliche Grundlage, so dass die Kamera wieder demontiert und im Keller des Polizeidirektoriums eingelagert werden musste.
Im April 2002 bot sich mit der nationalen Leistungsschau "Expo.02" eine neue Chance: Um die zu erwartenden Staus auf den Zufahrtsstrassen bei jedem Wetter bequem vom Büro aus beobachten zu können, sollten sechs Verkehrsüberwachungskameras installiert werden. Zur Förderung der Nachhaltigkeit dieser Investitionen sollten diese im Anschluss an die Ausstellung nicht etwa zerstört oder eingelagert werden (wie die Ausstellung selber), sondern als allgemeine "Sicherheitskameras" weiterverwendet werden, um sogenannte "Hot Spots" der Bieler Innenstadt zu überwachen. Allerdings bestand dazu noch immer keine gesetzliche Grundlage.
Die Bieler Stadtregierung, der Gemeinderat, war zwar nicht besonders begeistert von Scherrers Bemühungen, auf diese Weise die "Sicherheit der Stadt zu erhöhen", fand dann aber, die Installation der Kameras liege "allein in der Kompetenz des Sicherheitsdirektors".
Bei der Installation einer der sechs Verkehrsüberwachungskameras für die Expo.02 unterlief Scherrer dann allerdings ein Schönheitsfehler: Eines der Geräte wurde an einen Kandelaber montiert, der nachweislich auf dem Boden der Nachbargemeinde Nidau steht. Welch blöder Lapsus! Dass er gerade Jürg Scherrer passieren musste, der doch als Vertreter der nationalistischen "Freiheitspartei" in kaum einer Rede vergisst, die Bedeutung von abgeschotteten Grenzen für das friedliche Zusammenleben der Menschheit zu betonen!
Nach diesen Anfangsschwierigkeiten machte sich Scherrer im Jahr 2003 daran, ein ordentliches Reglement für die Einrichtung von Videokameras auf öffentlichem Grund zu erarbeiten. Zwei Jahre später war es soweit: Scherrer konnte das beinahe-fertige Reglement Mitte April 2005 den Medien vorstellen.
In der darauf folgenden Diskussion in der Bieler Stadtregierung (Anfang Mai 2005) fand Scherrer aber nur drei Verbündete, während die vier weiteren Gemeinderäte seine Vision einer sicheren Stadt nicht teilten. In diser Pattsituation beschloss der Stadtpräsident mit Stichentscheid, dem Parlament die Ablehnung von Scherrers Vorschlag zu empfehlen. Schon wieder knapp am Ziel vorbei!
Scherrer liess sich aber nicht beirren, sondern lancierte flugs eine Volksinitiative zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Einrichtung von fixen Überwachungskameras in der Stadt Biel (im Juni 2005).
Doch auch bei diesem Manöver kam Scherrer unvermittelt ins Schleudern: Bereits zwei Monate später, im August 2005, veröffentlichte der Berner Rechtsprofessor Markus Müller ein von der Stadt Bern bestelltes juristisches Gutachten. Darin kam er zum Schluss, dass gemäss dem bernischen Gemeindegesetz die Regelung von Videokameras im öffentlichen Raum gar nicht in der Kompetenz der Gemeinden liege.
Aufgrund dieses Gutachtens zog der Bieler Gemeinderat wenige Tage spaeter den Entwurf für ein Videoreglement endgültig zurück und wies den Polizeidirektorkollegen Scherrer an, die sechs vorhandenen Verkehrsüberwachungskameras so anzupassen, dass keine Autokennzeichen oder Personen mehr erkennbar sind. Auch der Freiheitspartei blieb nichts anderes übrig, als ihre Volksinitiative vorzeitig zurueckzuziehen.
Als Trostpreis erhält Jürg Scherrer nun den "Big Brother Award 2005" in der Kategorie "Lebenswerk".